Interview im Knast

BOSTON/BERGEN - Ein riesiges Lügengebäude errichtete Christian Gerhartsreiter alias Clark Rockefeller. Er soll seine Tochter entführt und seinen damaligen Vermieter ermordet haben. Nun arrangiert sein Anwalt ein Knast-Interview um der negativen Publicity der Polizei entgegenzuwirken.
Sogar die Fahnder sind vom Lügengebäude des Christian Gerhartsreiter alias Clark Rockefeller beeindruckt: „Das ist der größte Hochstapler, dem ich je in meiner beruflichen Laufbahn begegnet bin“, sagt Dan Coley, Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft in Suffolk County (US-Bundesstaat Massachusetts).
„Es kommt mir manchmal vor wie ein Krimi oder ein Film“, ergänzt er. Jetzt schafft es der 47-jährige Bayer, der seine Tochter entführt haben soll und seine Vermieter ermordet haben könnte, schon mal ins Fernsehen: Sein Anwalt hat im Bostoner Gefängnis ein TV-Interview arrangiert.
Von Rockefeller zu Gerhartsreiter
Sein Anwalt Stephen Hrones hat den Gesprächstermin, an dem diese Woche NBC und ein Reporter des Boston Globe teilnehmen, vereinbart, „um der negativen Publicity des FBI entgegenzutreten“. Es sind nur Fragen zu seiner Tochter und Ex-Frau zugelassen.
Das FBI hat den vermeintlichen Rockefeller anhand von Fingerabdrücken als Christian Gerhartsreiter aus Bergen im Chiemgau identifiziert. Sie verglichen Fingerabdrücke aus seinen Einwanderungspapieren von 1978 und aus seiner Zulassung als Wall-Street-Broker mit denen, die sie an einem Weinglas in seinem Appartement gefunden hatten. Nun schreibt die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift um – von Rockefeller auf Gerhartsreiter.
„Ich denke, er hat reich geheiratet“
Sein Anwalt beharrt allerdings weiter darauf, dass Gerhartsreiter sich nicht daran erinnert, Deutscher zu sein. „Man braucht nicht den Geburtsnamen, um jemanden anzuklagen“, sagt Hrones. „Wir werden die Vorwürfe auch so entkräften.“
Gerhartsreiter war 1978 nach einem Schüleraustausch einfach in den USA geblieben und hatte 1981 durch eine Kurzzeit-Ehe eine Green Card und damit das Aufenthaltsrecht in den USA erworben. Die Polizei in Los Angeles prüft, ob er 1981 seinen Vermieter ermordet hat (AZ berichtete). 1994 heiratete er die erfolgreiche Unternehmensberaterin Sandra Boss.
Am 27. Juli kidnappte er die gemeinsame Tochter, für die die Mutter das Sorgerecht hat. Er kaufte sich eine Wohnung, in der die Polizei später mehr als 300 000 Dollar in Goldmünzen fand. Woher das Geld kam? „Ich denke, er hat reich geheiratet“, kommentiert Bostons Vize-Polizeichef Tom Lee Gerhartsreiters Vorliebe für vermögende Familien.