Innenminister De Maiziere warnt vor neuen Terrorakten
BERLIN - Nach den vereitelten Paketbomben- anschlägen muss nach Ansicht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit weiteren Terrorakten gerechnet werden. «Es gibt ernstzunehmende Hinweise auf Anschläge in Europa und den USA», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag».
Eine konkrete Spur gebe es bisher nicht. Nach seiner Darstellung hatten die deutschen Sicherheitskräfte den Transport einer Paketbombe aus dem Jemen über Deutschland nach Großbritannien anfangs als Fehlalarm eingestuft. Daher wurde auch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel zunächst nicht unterrichtet. De Maizière will an diesem Montag bei einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel einen Fünf-Punkte- Katalog für schärfere Kontrollen vorlegen.
"Aufgrund der uns vorliegenden Informationen der Briten mussten wir zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen, dass es sich um einen Fehlalarm handelt. Wir wollten belastbare Ergebnisse abwarten», sagte der CDU-Politiker. Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste daher am Samstag vergangener Woche uninformiert zu Gesprächen mit ihrem britischen Kollegen David Cameron nach London. Nach einem Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» erfuhr Merkel die Einzelheiten des Vorfalls erst von Cameron.
Die in einer Druckerpatrone versteckte Sprengladung war schon in der Nacht von Donnerstag auf Freitag auf dem Kölner Flughafen umgeladen worden. Die Bundeskanzlerin habe sehr verärgert reagiert, ihren Innenminister zur Rede gestellt und ihn für die fehlende Unterrichtung kritisiert, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise.
Laut «Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung» soll de Maizière selbst nicht über die vollständigen Informationen verfügt haben. Er habe die Brisanz des Vorfalls unterschätzt.
Der Bundesinnenminister, der bei Terrorwarnungen bislang stets Zurückhaltung gezeigt hat, gab sich angesichts des Gefahrenpotenzials besorgt. Mit Blick auf die Paketbomben aus dem Jemen und den Sprengsatz, der aus Griechenland an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschickt worden war, sagte er nun: «Die Ereignisse sind für mich Anlass, meine Sorgen erstmals öffentlich zu machen.» De Maizière forderte die Bürger zu höchster Aufmerksamkeit auf: «Ich möchte die Bevölkerung bitten, in ihrem Umfeld wachsam zu sein und alles, was ihnen verdächtig erscheint, der Polizei zu melden.»
In seinem Fünf-Punkte-Katalog fordert der Bundesinnenminister, die Luftsicherheit auf europäischer Ebene in eine Hand zu legen und Fracht aus unsicheren Drittstaaten besser zu überwachen. Zudem soll die Sicherheit von Flughäfen in Drittstaaten in einem abgestimmten Verfahren bewertet und vor Ort überprüft werden. De Maizière plädiert zudem dafür, ein Raster zu erstellen, mit dessen Hilfe verdächtige Sendungen anhand von Frachtlisten herausgefiltert werden können. Wenn zum Beispiel eine jüdische Gemeinde in Chicago gebrauchte Kopierer aus dem Jemen erhalten solle, «dann ist das ungewöhnlich und muss kontrolliert werden», sagte de Maizière der «Bild am Sonntag».
Angesichts der Diskussion über einen eventuellen Abschuss von Frachtflugzeugen, die von Terroristen als fliegende Bomben eingesetzt werden, sprachen sich in einer Umfrage 51 Prozent der Deutschen gegen eine derart drastische Maßnahme aus. In einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag des Nachrichtenmagazins «Focus» befürworteten 40 Prozent der Befragten einen Abschuss.
In einer Emnid-Umfrage für «Bild am Sonntag» forderte eine Mehrheit von 59 Prozent der Deutschen eine Verschärfung der Anti- Terror-Gesetze. 37 Prozent halten die derzeitigen gesetzlichen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung für ausreichend. Zugleich sehen 57 Prozent Deutschland derzeit nicht akut bedroht.
Durch verschärfte Sicherheitsmaßnahmen im Frachtflugverkehr rechnete De Maizière mit steigenden Kosten für die Verbraucher. «Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif», fügte er hinzu. Der Flughafenverband ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) kritisierte Pläne, an europäischen Flughäfen die Kontrolle von Luftfracht aus Nicht-EU-Ländern zu verschärfen. «Der bessere Weg ist, dass bedenkliche Waren erst gar nicht zu den deutschen Flughäfen gelangen», sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.
Zu den vereitelten Attentaten aus dem Jemen hat sich inzwischen der jemenitische Arm der Terrororganisation Al-Kaida bekannt. Die Organisation kündigte am Wochenende weitere Anschläge an. Die beiden Paketbomben, die vor einer Woche in England und Dubai abgefangen werden konnten, waren an jüdische Einrichtungen in den USA adressiert, sollten aber bereits während des Flugs detonieren. (dpa)