In Israel wächst die Angst vor einer neuer Intifada

Die Serie palästinensischer Anschläge und fast tägliche gewalttätige Demonstrationen vor allem in Jerusalem haben in Israel Furcht vor einem neuen Palästinenseraufstand, einer Intifada, geweckt.
von  dpa

Jerusalem/Berlin - Am Grenzübergang Kalandia im Westjordanland und im Stadtteil Schuafat in Ostjerusalem brachen am Donnerstag neue Unruhen aus. Deutschland und die EU mahnten zu Besonnenheit. Das Vorgehen der israelischen Polizei gegen Demonstranten auf dem Tempelberg belastet auch die Beziehungen Israels zu den wenigen arabischen Nachbarländern, mit denen es diplomatische Beziehungen unterhält. Im Bemühen um Entspannung telefonierte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag mit Jordaniens König Abdullah.

Beide Länder wollten sich dafür einsetzen, die aufgeheizte Lage in Jerusalem zu beruhigen, sagte Netanjahu nach dem Gespräch. Er habe Abdullah versichert, dass Israel den Status Quo des Muslimen und Juden heiligen Tempelbergs, einschließlich der Rolle Jordaniens, beibehalte, hieß es in einer Mitteilung. Die jordanische Nachrichtenagentur Petra bestätigte das Telefonat. Netanjahu habe Abdullah versichert, Israel werde die Ruhe in Jerusalem wieder herstellen, hieß es in einer Mitteilung.

Der Tempelberg wird von Jordanien und der islamischen Wakf-Behörde verwaltet. Am Vortag hatte Jordanien aus Protest gegen Israels "Eskalation" seinen Botschafter aus Israel zurück beordert. Zuvor hatte die Wakf-Behörde den Vorwurf erhoben, israelische Polizisten seien in die Al-Aksa-Moschee eingedrungen. Dies ist Nicht-Muslimen verboten. Israel wies den Vorwurf zurück.

Ein Palästinenser, der drei israelische Soldaten im Westjordanland nach Einschätzung der israelischen Behörden absichtlich angefahren hatte, stellte sich den Behörden. Der Vorfall vom Mittwochabend hatte sich nur Stunden nach einem ähnlichen Vorfall mit einem Kleinbus in Jerusalem ereignet. Dabei war ein Israeli getötet und 13 weitere Passanten waren verletzt worden. Der palästinensische Fahrer wurde von der Polizei erschossen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte von Israel und Palästinensern ein Zeichen gegen die neue Gewalt in Jerusalem. "Die Politik auf beiden Seiten muss jetzt den Mut aufbringen, mit klaren Worten und Taten gemeinsam auf eine Beruhigung hinzuarbeiten", verlangte Steinmeier. Beide müssten Provokationen aus den eigenen Reihen entgegentreten, bevor sich die "Spirale von Zorn und Vergeltung" selbstständig mache. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilte die Anschläge und rief zu neuen Friedensanstrengungen auf: "Die heutigen Terroranschläge in Ostjerusalem zeigen auf schmerzhafte Weise, dass ernsthafte Bemühungen für einen tragfähigen Friedensschluss im israelisch-palästinensischen Konflikt unternommen werden müssen."

Israel erlebt seit Wochen eine Welle der Gewalt. Vor den beiden mutmaßlichen Anschlägen vom Vortag hatte am 29. Oktober bereits ein Palästinenser den radikalen Tempelberg-Aktivisten Jehuda Glick niedergeschossen. Eine Woche zuvor war ein Palästinenser in eine Straßenbahnhaltestelle in Ostjerusalem gerast. Zwei Menschen starben, mehrere wurden verletzt, der Attentäter erschossen.

Immer wieder kommt es in Jerusalem und dem Westjordanland auch zu Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Häufigster Schauplatz ist der Tempelberg. Das Gelände in der Altstadt von Jerusalem mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom wird von Muslimen als "Haram el-Scharif" (Edles Heiligtum) verehrt. Auch Juden ist die Stätte heilig, weil sie auf dem im Jahre 70 zerstörten zweiten jüdischen Tempel errichtet wurde.

Das Gebet ist dort allerdings nur Muslimen erlaubt. Dass radikale Juden dieses Recht auch für sich durchzusetzen versuchen, empfinden viele Palästinenser als Provokation. Sie fürchten, dass Israel schleichend die Kontrolle über den Tempelberg übernehmen wolle. Der fortgesetzte israelische Siedlungsbau in Ostjerusalem und im Westjordanland befeuern die Zweifel.

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