Immer diese Demokratie
Bei ihrer Peking-Reise muss Bundeskanzlerin Angela Merkel Chinas Regierungschef Wen erklären, warum die Europäer in der Krise so viel diskutieren. Deutsche Firmen freuen sich über dicke Wirtschaftsverträge.
Peking - Betriebsausflug in XXL: Mit sieben Ministern, zwei Staatssekretären und zahlreichen Wirtschaftsvertretern ist Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag nach Peking gereist – so groß war eine deutsche China-Delegation noch nie. Es ist in diesem Jahr bereits Merkels zweite Reise in das kommunistische Riesenreich und schon die sechste seit ihrem Amtsantritt. Anlass waren die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen.
Mit keinem anderen Land der Welt hat China diese fixen Treffen. Das regulär nächste wäre erst 2013 gewesen, aber Chinas Regierungschef Wen Jiabao hat die Konferenz extra vorverlegt. Nicht, weil er Bundeskanzlerin Angela Merkel so gern hat – sondern weil er bald abtreten muss. Wen Jiabao ist 69 Jahre alt, gilt in der kommunistischen Partei schon als lahme Ente. Seinen Abgang will er noch mit ein paar dicken Wirtschaftsabschlüssen krönen. Die waren auch schnell unter Dach und Fach: Verträge im Umfang von mehr als sechs Milliarden US-Dollar wurden unter den Augen von Merkel und Wen unterschrieben.
Der europäische Flugzeugbauer Airbus verkauft China 50 neue Maschinen des Typs A320. Außerdem baut VW für 300 Millionen Euro ein neues Getriebewerk in China, auch der Hubschrauber Eurocopter wird künftig dort montiert. Weitere Abkommen gab’s zum Ausbau eines Breitbandnetzes. Kritiker befürchten aber, dass es bei den Wirtschaftskooperationen so läuft wie oft in China: Die Chinesen lassen sich zeigen, wie es geht, und bauen dann selbst billig nach.
Zweites großes Thema bei der Peking-Reise war die Euro-Rettung. Merkel und Schäuble mussten sich die Frage gefallen lassen, warum Europa bei der Schuldenkrise nicht vom Fleck kommt. Merkel musste erneut erklären, dass man in Demokratien eben viel diskutieren und verschiedene Meinungen unter einen Hut bringen müsse. Die Chinesen halten das für eine Schwäche. „Ich habe ganz große Sorgen“, sagte Wen. Er sagte aber auch, sein Land, das auf einem Geldberg von 3,2 Billionen Dollar sitzt, werde Europa nicht hängen lassen.
Beim Thema Menschenrechte lief es wie eh und je: Merkel mahnte deren Achtung an, außerdem bessere Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten. Wen lächelte und schwieg. Obwohl sich Wen gerne als gütiger Opa zeigt und in Staatsmedien sogar so nennen lässt, hat sich die Menschenrechtslage unter ihm deutlich verschlechtert. Bürgerrechtler Liu Xiaobo sitzt ohne Kontakt nach außen im Gefängnis, Künstler Ai Wei Wei wird festgesetzt und mit Steuerklagen schikaniert, der Bruder des in die USA geflohenen Dissidenten Chen Guangcheng wurde in Sippenhaft genommen.
Bei der Syrien-Frage bleibt ebenfalls Dissens: China hält unverbrüchlich zu Diktator Assad. Besserung und Reformen sind nicht zu erwarten: Im Oktober wird die kommunistische Führungsspitze umgebaut. Vizepräsident Xi Jinping beerbt Parteichef Hu Jintao, Vizepremier Li Keqiang beerbt Wen Jiabao. Beide gelten als streng linientreue Parteikader. Gestern Nachmittag gewährten sie Merkel ein kurzes Gespräch. 40 Minuten. Nicht länger.
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