Im Sog des Krieges
Über Tyrannenmord lässt sich trefflich streiten. Die Philosophen tun es seit Jahrtausenden – aber was soll schon dabei sein, wenn eine Rakete Gaddafi tötet? Schließlich lässt er sein eigenes Volk abschlachten.
So einfach ist es aber nicht, die Nato beruft sich in Libyen auf eine Resolution der Uno, und die sieht die Beseitigung des Diktators ausdrücklich nicht vor. Schon gar nicht die Beseitigung von Diktatoren-Söhnen und -Enkeln. So zeigt der Verlauf des Krieges, jeden Krieges übrigens, wie unwichtig Resolutionen werden, wenn die Waffen sprechen – und wenn die Erfolge ausbleiben. Das ist in Libyen der Fall. Alle Drohgebärden halfen nicht, und fast alle Eskalationsstufen gegen das Regime sind durchlaufen. Flugverbotszone, Luftangriffe, Militärberater, Bewaffnung der Gegenseite, all das ist geschehen, passiert schon heimlich oder wird noch geschehen. Dem Ziel des Einsatzes ist die Nato nicht näher gekommen. Das Morden geht weiter, und die Kampfkraft der Regierungstruppen ist ungebrochen.
Der Sog des Krieges lässt den Feldherrn des Westens keine Wahl: Gaddafi muss weg. Mit ihm geht gar nichts mehr, auch wenn unklar ist, wie groß das Chaos nach ihm sein wird. Die Strategen in Washington, London oder Paris können nur hoffen, dass der Treffer die Moral des Gaddafi-Clans schwächt – und dass sie nicht doch noch Bodentruppen schicken müssen.