Horst Seehofer in Prag: Eisbrecher mit Leberknödel

Horst Seehofer kann mit seiner Prag-Reise den Streit um die Vertreibung der Sudetendeutschen nicht lösen – dafür aber das frostige Verhältnis zwischen Bayern und Tschechien erwärmen.
MÜNCHEN Blauer Himmel über dem klirrend kalten Prag: Doch mit Hilfe von böhmischen Knödeln lässt sich das Eis an der Moldau schnell brechen. „Wir sind uns einig, dass wir den Blick in die Zukunft richten“, sagt Horst Seehofer und zwinkert Tschechiens Premier Petr Necas zu. Der nickt hektisch und denkt längst an etwas anderes. Seehofer kommt ihm ungelegen. Gerade ein halbes Jahr ist er an der Macht und wegen Korruptionsvorwürfen schon in einer schweren Regierungskrise. Heute muss er sich einem Misstrauensvotum stellen.
Da bleibt wenig Zeit für den bayerischen Ministerpräsidenten. Der will zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges ein „neues Kapitel“ zwischen dem Freistaat und Tschechien aufschlagen. Eine „historische Reise“ nennt Seehofer seinen Blitzbesuch, mit dem er demonstrieren will, dass er doch „außenpolitische Kompetenz“ hat. Schließlich ist er der erste weiß-blaue Regierungschef, der nach Prag reist. Edmund Stoiber hatte die schöne Moldau-Metropole während seiner Amtszeit gemieden – vielleicht wegen der sudetendeutschen Wurzeln seiner Frau Karin.
Der jahrzehntelange Streit um die Vertreibung von drei Millionen Sudetendeutschen hatte die Normalisierung der bayerisch-tschechischen Verhältnisse bisher unmöglich gemacht. Lösen kann das Problem auch Horst Seehofer nicht. Die „Benes-Dekrete“, mit denen der frühere tschechoslowakische Präsident Edvard Benes die Vertreibung der Sudetendeutschen legitimierte, sind tabu. So werden die heiklen Punkte einfach ausgeklammert. Dazu gehört auch der Münchner CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt, der Sprecher der Sudetendeutschen. Er darf zwar mitreisen, muss aber bei den politischen Gesprächen in Prag vor der Tür bleiben. Dafür ist Posselt an der Spitze, als Seehofer nach dem Vier-Augen-Gespräch mit Necas den katholischen Veitsdom besichtigt und das Grab Karls IV. Der war deutscher Kaiser und böhmischer König. Wem Karl IV. denn nun gehöre, fragt Seehofer die Fremdenführerin. Die antwortet prompt: „Europa“.
Ein Adeliger mit einem Stammschloss im fränkischen Steigerwald sorgte schon am Sonntagabend mit Knödeln für Entspannung: Tschechiens Außenminister Karl zu Schwarzenberg (73). Der Fürst entstammt einem der berühmtesten Adelsgeschlechter der ehemaligen österreichischen-ungarischen Monarchie und ist vielen CSU-Politikern gut bekannt. Zum Auftakt lädt er Seehofer zum Dinner in sein prachtvolles Außenministerium. Als Vorspeise wird den bayerischen Gästen Leberknödelsuppe serviert. Eine Speise mit historischer Verbindung. Der Knödel, so berichtet Schwarzenberg, ist von Franken über Böhmen nach Bayern ausgewandert. Am Ende seiner Mission ist Seehofer zufrieden: „Zu Vertrauen gehört auch Ehrlichkeit. Wir haben uns ehrlich ausgetauscht.“
bö