Haben Bundeswehrsoldaten auf Zivilistin geschossen?
Deutsche Soldaten sollen in der Provinz Kundus eine afghanische Frau erschossen haben – die Bundeswehr ermittelt in dem Fall „mit Hochdruck“.
Kundus - Die Polizei in der nordafghanischen Provinz Kundus hat wegen des Todes einer Afghanin schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehr erhoben. Der Polizeichef des Distrikts Char Darah, Gulam Mahidin, sagte am Donnerstag, deutsche Soldaten hätten am Vortag eine Frau erschossen und eine weitere verletzt.
Ein Bundeswehr-Sprecher in Kundus sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Fall werde „mit Hochdruck“ untersucht. Es sei aber noch keinesfalls erwiesen, dass die Zivilistin von deutschen Soldaten erschossen worden sei. Zivile Opfer bei Militäroperationen sorgen bei der afghanischen Regierung und der Bevölkerung für großen Unmut.
Polizeichef Mahidin sagte der dpa: „Deutsche Soldaten, die in der Durman-Gegend im Distrikt Char Darah patrouillierten, eröffneten das Feuer. In Folge wurde eine afghanische Frau erschossen und eine weitere verletzt.“ Die deutschen Soldaten hätten einen „Fehler“ gemacht. Die getötete Frau sei in ihrem Haus von einer Kugel getroffen worden, die Verletzte habe außerhalb eines Gebäudes gestanden.
Nach Angaben eines Bundeswehr-Sprechers wurde eine Patrouille in der Gegend unter anderem mit Panzerfäusten beschossen worden. Sie habe das Feuer erwidert. Später sei einer zweiten Patrouille rund 1400 Meter entfernt eine Frau mit einer Kopfverletzung übergeben worden. Dabei habe es sich aber nicht um eine Schussverletzung gehandelt. Die Frau sei sofort von einer deutschen Ärztin behandelt und dann ins Feldlazarett im Camp gebracht worden, sagte der Sprecher. Dort sei sie an ihrer Verletzung gestorben. Die zweite Frau sei mit einer leichten Splitterverletzung am Fuß selbstständig ins Krankenhaus in Kundus-Stadt gekommen. Bei ihr „liegt der Verdacht nahe“, dass die Verletzung bei dem Feuergefecht verursacht worden sei. Der Bundeswehr-Sprecher sagte, die Fälle würden untersucht. „Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet.“
Die Sicherheitslage in Kundus hat sich in den vergangenen Monaten deutlich verbessert. Mit Beginn des Frühjahrs wird aber erwartet, dass die Taliban, die im vergangenen Jahr in der Region schwere Verluste erlitten, ihre Angriffe und Anschläge wieder verstärken. Von den Militäroperationen sind immer wieder auch Zivilisten betroffen. Zuletzt führte der Tod von neun Kindern bei einem US-Luftangriff für schwere Verstimmungen zwischen Kabul und Washington. US-Verteidigungsminister Robert Gates entschuldigte sich am Montag in Kabul im Beisein von Präsident Hamid Karsai persönlich für den Tod der Jungen. Karsai forderte erneut: „Die zivilen Opfer müssen aufhören.“
Für den Tod der allermeisten Zivilisten sind allerdings Aufständische wie die Taliban verantwortlich. Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) hatte am Mittwoch mitgeteilt, 2777 Unbeteiligte seien im vergangenen Jahr im Afghanistan-Krieg getötet worden – mehr als je zuvor.
Drei Viertel der zivilen Opfer gingen nach UNAMA-Angaben auf das Konto von Aufständischen. Afghanische und ausländische Truppen waren für 16 Prozent der zivilen Opfer verantwortlich. Neun Prozent der getöteten Unbeteiligten konnten keiner der Konfliktparteien zugeordnet werden. Die Vereinten Nationen appellierten an alle Kriegsparteien, für einen besseren Schutz von Zivilisten zu sorgen. UNAMA forderte die Taliban ausdrücklich dazu auf, Unbeteiligte nicht mehr als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
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