Große Sexual-Umfrage: Die Watschn für den Vatikan

Der Vatikan wollte Antworten, hier sind sie: Die Ergebnisse einer Umfrage unter Katholiken zu Sex und Liebe sind niederschmetternd für die Führung der katholischen Kirche.
Matthias Maus |
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Sex und Kirche: der Vatikan und die Kritik an der katholischen Sexualmoral.
dpa/az Sex und Kirche: der Vatikan und die Kritik an der katholischen Sexualmoral.

Wie denkt die Basis über die Sexualmoral der Kirche? Jetzt liegen die Ergebnisse einer großen Umfrage vor. Es ist niederschmetternd für die Führung der katholischen Kirche.

München - Sex vor der Ehe, Verhütung. Homosexualität, Umgang mit Geschiedenen. Der Papst hat seine Basis danach gefragt – und er hat Antworten bekommen. Antworten, die der Kirche nicht gefallen werden. Seit Montag berät die Deutsche Bischofskonferenz in Würzburg über den Umgang mit den Ergebnissen einer Umfrage, die vor allem eines zeigen: die tiefe Kluft zwischen Schäfchen und der katholischen Amtskirche. Volksnah gibt sich Franziskus, seit er am 19. März 2013 gewählt wurde. Und ganz in diesem Sinne handelte der Vatikan. Er schickte einen Fragenkatalog an die nationalen Bischofskonferenzen, in dem es um die Sexualmoral der Gläubigen gehen sollte.

Zwar war nicht genauer ausgeführt, wie die Befragungen durchgeführt werden sollten, aber die nachgereichte Erklärung aus Rom machte klar: Es soll an die Basis gehen: „Wir wollen keine persönlichen Bewertungen der Bischöfe“, hieß es aus dem Vatikan, „wir wollen wissen, was die Menschen denken.“

Auch die AZ hat sich unter Gläubigen umgehört: Die Umfrage lesen Sie hier.


Die Menschen denken zumindest in Deutschland keineswegs so, wie es ihre Oberen gerne hätten. Laut „Spiegel“ sehen in Bayern zum Beispiel 86 Prozent der Katholiken keine Sünde darin, die Pille oder Kondome zu benutzen. Rührig an der Umfrage haben katholische Laienorganisationen wie der Familienbund der Katholiken teilgenommen. Von ihren Mitgliedern erfuhr der Bund, dass 69 Prozent nicht nach der Lehre der Kirche leben. Auch das Verbot für wiederverheiratete Geschiedene, an der Eucharistie teilzunehmen, beeindruckt offenbar wenige dieser Katholiken: „Ich möchte diese Sakramente und ich bekomme sie auch“, sagten in der Umfrage immerhin 63 Prozent.

Auch der Bund der deutschen Katholischen Jugend schickte die Fragen seine Mitglieder: Nach der Antwort von 10000 Mitgliedern heißt es in der Stellungnahme des BDKJ: „Die kirchliche Sexualmoral spielt bei neun von zehn katholischen Jugendlichen keine Rolle.“ Und: „Sex vor der Ehe und Verhütung gehören zu ihrem Beziehungsleben selbstverständlich dazu.“

Auch die Angstmache vor Verdammnis und Sünde funktioniert nicht: 96 Prozent zucken die Achseln über die amtskirchliche Ansicht, dass sie ohne Trauschein und damit in Sünde zusammenleben. Sie gehen trotzdem in die Kirche. Dabei wollten es die Bischöfe mancherorts gar nicht so genau wissen. Vor allem in Bayern, kritisieren Laien, wurden die Fragebögen oft gar nicht weitergeleitet.

Die schwammigen Ausführungsbestimmungen ließen Raum für Interpretationen. Robert Zollitsch, bis März noch Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, hat den Raum genutzt: Bestimmte Fragen würden „zentral vom Sekretariat beantwortet“, teilte er seinen Kollegen mit.

Lesen Sie hier: Gefahr für Franziskus - ein AZ-Kommentar von Matthias Maus

Pikanterweise waren das vor allem die Fragen, die sich mit Verhütung und mit homosexuellen Paaren beschäftigten. Doch der plumpe Zensurversuch ging schief. So fanden einzelne Pfarrer den kompletten Fragenkatalog im Internet, Bischöfe anderer Länder waren weniger zimperlich, und die Basis antwortete.Homosexuelle, die von der Amtskirche und den Bischöfen verurteilt werden, erfahren von Gläubigen laut Umfrage viele Sympathien: „Viele Christen können diese Haltung nicht nachvollziehen.“ Auch beim Thema Zölibat, das nicht Gegenstand der Befragung war, ist es vielen Gläubigen wichtig, Stellung zu beziehen: „Wir verbitten uns Einmischung in unser Familienleben von Zwangszölibatären, die nicht heiraten dürfen“, heißt es in einem Kommentar.

"Die Ergebnisse der Befragungen erzeugen und verstärken den Eindruck einer unglücklichen, fatalen Situation,“ sagt Karl Lehmann. Der Kardinal und Erzbischof von Mainz gilt in Deutschland als das Sprachrohr der liberalen katholischen Kirche. „Realitätsblind“, „weltfremd“, „Verbote im Vordergrund“, „Sexualmoral als Glaubenshindernis“, das sind einige Schlagworte aus den Bewertungen der Bischöfe, die jetzt vorliegen.

Wie sie damit umgehen, beraten sie derzeit in Würzburg Am Freitag müssen sie die Ergebnisse weiterleiten nach Rom. Laiengruppen wie „Wir sind Kirche“ fordern eine „ungeschminkte und transparente“ Weitergabe der Daten. Die Präsidentin des Familienbundes, Elisabeth Bußmann, sagt: „Die Umfrage hat eine Dynamik ausgelöst, die nicht mehr zu stoppen ist.“ Im Oktober wird sich eine Bischofssynode in Rom mit den weltweiten Ergebnissen beschäftigen.

 

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