Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzender Florian Streibl : "Beim Sondervermögen haben wir große Bauchschmerzen"

Nach der Einigung mit der CSU über die Haltung zum Milliarden-Sondervermögen des Bundes: Der Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzende Florian Streibl sagt der AZ, warum er letztlich doch zugestimmt hat.
von  Ralf Müller
Streibl ist seit 2018 Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag.
Streibl ist seit 2018 Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag. © Hildenbrand/dpa

AZ: Herr Streibl, Sie haben gesagt, die Freien Wähler (FW) zeigten mit ihrer Zustimmung zur Grundgesetzänderung über die Schuldenbremse und das Sondervermögen ein "hohes Maß an staatspolitischer Verantwortung". Aber wäre es nicht staatspolitische Verantwortung, ein Vorhaben, das man für falsch hält, zu stoppen?
FLORIAN STREIBL: Das Vorhaben ist nicht grundsätzlich falsch. Es geht um nicht weniger als die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland. Wir müssen die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte dringend ausgleichen. Denn beim Verteidigungshaushalt wurde über Jahrzehnte viel zu stark gespart – das gilt es aufzuholen. Insofern sind die dafür aufgewendeten Mittel goldrichtig und bitter notwendig. Deshalb stimmen wir dem auch zu.

Sind die FW nicht weiterhin der Ansicht, dass insbesondere das Sondervermögen falsch ist?
Beim Sondervermögen haben wir große Bauchschmerzen. Doch sind hier auch hohe Investitionen für unsere kommunale Familie dabei und die brauchen wir dringend – gerade auch in Bayern. Ich glaube, dass wir dieses Paket, wenn es so kommt, nicht komplett aufschnüren können. Angesichts dieser Lage ist es umso wichtiger, dass wir Freien Wähler als Regierungsfraktion weiterhin gewährleisten, dass das Geld genau dort ankommt, wo es am dringendsten benötigt wird.

Jetzt werden viele sagen, die FW seien "umgefallen", weil sie in der Staatsregierung bleiben wollen. Sie selbst sagen ja ganz offen, Sie wollen in Bayern nicht "der SPD das Feld überlassen". Also geht es doch um machtpolitische Erwägungen?
Es geht darum, dass die bestmögliche Regierung für Bayern im Amt bleibt und dass wir als Freie Wähler auch darauf schauen, wie es weitergeht. Es wäre nicht klug gewesen, uns selbst aus dem Spiel zu nehmen und anderen das Feld zu überlassen.

"Die Protokollerklärung wird bedeutsam werden"

Es wird eine Protokollerklärung Bayerns zur Abstimmung im Bundesrat geben. Hat die irgendeinen materiellen Wert?
Ja, natürlich – sonst hätten wir sie ja nicht abgegeben. Die Protokollerklärung zum Bundesrat am kommenden Freitag bindet in erster Linie den Freistaat Bayern und umfasst insbesondere auch den Bereich der Klimaneutralität. Hier handelt es sich um einen Punkt, der juristisch bedeutsam werden wird. Denn bei einem Prozess vor dem Verfassungsgericht wird man darauf zurückgreifen. Die Auffassung Bayerns könnte dann den Ausschlag geben, dass eben Klimaneutralität keine Staatszielbestimmung und auch kein Verfassungsauftrag ist, sondern nur einer Zuordnung von Haushaltsmitteln dient.

Ist nicht die Absicht, eine Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs herbeiführen zu wollen, reine Gesichtswahrung, da ja die Mehrheit der Länder – auch die unionsgeführten Nehmerländer - keine Grundgesetzänderung zum Länderfinanzausgleich wollen?
Wir haben – ebenso wie die CSU – ein großes Interesse daran, dass hier wichtige Änderungen vorgenommen werden. Letztlich handelt es sich um einen klaren Auftrag an die Verhandler der Union beim neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene. Die Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs muss hineinverhandelt werden, weil das für Bayern existenziell wichtig ist.

Hat Ihnen die CSU für Ihr Ja zur Zustimmung im Bundesrat landespolitische Zugeständnisse gemacht, wie etwa mehr Geld für die Kommunen?
Wir sind in der Staatsregierung der Garant dafür, dass mehr Geld bei den Kommunen ankommt. Von daher braucht es hier keine Zugeständnisse, sondern es langt der gesunde Menschenverstand.

Wie gespannt war die Stimmung am Montag im Koalitionsausschuss in der Staatskanzlei? Wird eine Beschädigung der Koalition bleiben?
Nein, es wird keine Beschädigung der Koalition bleiben. Die Stimmung am Montag im Koalitionsausschuss war ausgesprochen konstruktiv und sehr an einer vertrauensvollen, vernunftgeleiteten Zusammenarbeit orientiert. Ich denke, wir haben als Bayern-Koalition schon größere Krisen überwunden – denken Sie nur einmal an die furchtbare Corona-Pandemie zurück, die vor genau fünf Jahren begann. Koalitionsprobleme sind manchmal unvermeidlich. Entscheidend ist, dass wir anschließend noch stärker und vertrauensvoller zusammenarbeiten. Das ist hier der Fall.

AZ-Interview mit Florian Streibl, der seit 2018 Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag ist.

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