Fragen und Antworten zum Ukraine-Krieg: Feuer im AKW - wie groß ist die Gefahr?
In einem Gebäude des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja hat es in der Nacht zu Freitag gebrannt. In Deutschland wächst nun die Sorge vor möglichen Angriffen auf Atomkraftwerke, die sich im Kriegsgebiet befinden. Wie groß ist aktuell die Gefährdungslage? Und muss jetzt auch die deutsche Bevölkerung Vorkehrungen treffen? Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Aktuell keine Gefahr wegen radioaktiver Strahlung
Wie groß ist aktuell die Gefahr von atomarer Strahlung für Deutschland?
"Radiologische Auswirkungen auf Deutschland sind nach dem Stand der verfügbaren Informationen nicht zu befürchten", versichert das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit Stand Freitag auf seiner Webseite. Alle radiologischen Messwerte am ukrainischen Kraftwerk Saporischschja bewegten "sich weiter im normalen Bereich". Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) versicherte, es sei keine erhöhte Strahlung gemessen worden.
Das AKW ist knapp 2250 Kilometer Autofahrt von München entfernt. Das BfS und das Bundesumweltministerium beobachten nach eigenen Angaben die Lage und informieren über neue Entwicklungen. Beide Behörden erklären, dass das "Ausmaß der Schäden" in dem Kernkraftwerk bislang unklar sei. Außerdem sei die Informationslage schwierig.
Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) sieht aktuell mit Blick auf die Atomanlage Saporischschja keine unmittelbare Gefahr eines Atomunfalls.
Beschuss der Anlage führt nicht zwangsläufig zu Katastrophe
Was kann passieren, wenn ein Reaktor angegriffen wird?
Das kommt darauf an. Ein Beschuss der Anlage müsse nicht zwangsläufig zu einem kerntechnischen Unfall führen, sagt Atomtechnik-Experte Sebastian Stransky von der GRS.
"Damit es zu einem solchen Unfall kommt, muss das Kühlsystem beschädigt sein." Die sicherheitstechnisch wichtigen Anlagen seien in geschützten Gebäuden untergebracht. "Sie würden einem Beschuss standhalten können, das hängt allerdings auch von der Schwere des Beschusses ab."
Der Reaktor werde von einer Stahlbetonhülle geschützt, der den Absturz eines kleinen Flugzeugs aushalten könne. "Selbst wenn er beschädigt ist, bedeutet das nicht automatisch, dass es zu einem kerntechnischen Unfall kommt."
Erst wenn dauerhaft der Strom ausfallen würde und das gesicherte Kühlwassersystem versagte und auch sämtliche Notstromaggregate ausfallen würden, würde es letzten Endes zu einem Ausfall der Nachkühlung kommen. Dies könne zu einer Kernschmelze führen.
Deutsche Messeinrichtungen werden regelmäßig überwacht
Wie sicher sind die ukrainischen Kernkraftwerke?
Atomtechnik-Experte Stransky sagt, dass in den vergangenen Jahren viel für die Erhöhung der Sicherheit in den ukrainischen Anlagen getan wurde. Weitere Nachrüstprogramme liefen. Die Ukraine habe nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima an einem Stresstest für Kernkraftwerke in der EU teilgenommen. "Auf der Basis der Ergebnisse wurden Aktionspläne erarbeitet, in denen sicherheitserhöhende Maßnahmen verpflichtend festgeschrieben wurden."
Was tun die deutschen Behörden?
Bundesumweltministerium und BfS befinden sich nach eigenen Angaben in einem sehr engen Austausch mit der ukrainischen Regierung, der IAEA und Experten auf der ganzen Welt. Soweit es Hinweise auf erhöhte Radioaktivität gebe, gehe das BfS diesen Hinweisen nach. Nach Angaben des BfS werden sämtliche Messeinrichtungen in Deutschland regelmäßig überwacht, darunter auch die Spurenmessstelle auf dem Schauinsland bei Freiburg.
Deutschland verfügt den Behördenangaben zufolge seit vielen Jahren über Instrumente zur Bewertung einer radiologischen Lage, beispielsweise über das Integrierte Mess- und Informationssystem IMIS, das beim Bundesamt für Strahlenschutz betrieben wird. Im Alltag liefern die circa 1700 Messsonden und weitere Messnetze laufend Daten über die Radioaktivität in der Umwelt.
Im Notfall: Millionen Jodtabletten auf Vorrat
Welche Vorkehrungen gibt es in Deutschland für den Fall von hoher Strahlenbelastung?
In Deutschland sind 189,5 Millionen Jodtabletten in den Bundesländern bevorratet. Sollte ein Ereignis eintreten, bei dem radioaktives Jod in der Luft zu erwarten ist, übernehmen die Katastrophenschutzbehörden die Verteilung der Tabletten in möglicherweise betroffenen Gebieten. Die Einnahme von Jodtabletten schützt nur vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe.
Wie sollten sich die Bürger in der jetzigen Lage verhalten?
Die Bevölkerung kann sich online über die Sicherheitslage informieren, unter anderem auf den Webseiten des Bundesumweltministeriums und des Bundesamts für Strahlenschutz.
Wovon die Behörden aktuell dringend abraten, ist die anlasslose Einnahme von Jodtabletten. "Eine Selbstmedikation mit hoch dosierten Jodtabletten birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinen Nutzen", schreibt das BfS.
Was geschieht in Deutschland bei einem nuklearen Notfall?
Dann käme das radiologische Lagezentrum des Bundes zum Einsatz. Die Öffentlichkeit würde unmittelbar informiert und, sofern erforderlich, würden Handlungsempfehlungen herausgegeben.
- Themen:
- Panorama