Fast 1000 Bootsflüchtlinge gelandet
Cannes (dpa) - An Europas Küsten sind innerhalb weniger Stunden fast 1000 Bootsflüchtlinge gelandet. Parallel zu den Beratungen der europäischen Innenminister über eine gemeinsame Einwanderungspolitik erreichten 650 Menschen in vier Booten die süditalienische Insel Lampedusa.
Die griechische Küstenwache griff 302 Flüchtlinge vor den Inseln Samos, Leros, Lesbos und Chios auf. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ermahnte die Europäische Union zur Einhaltung der Menschenrechte in der Asylpolitik.
Die meisten Menschen, die seit Samstag in der Ostägäis ankamen, stammten nach Angaben des griechischen Staatsrundfunks aus Afghanistan und dem Irak. Auf Lampedusa kamen mit den beiden größten Booten am Dienstag jeweils mehrere hundert Einwanderer verschiedener Nationalitäten an. Unter ihnen waren wieder viele Frauen und Kinder, wie die italienischen Behörden mitteilten. Sie wurden in das bereits heillos überfüllte Auffanglager auf der Insel gebracht.
Während die EU-Innenminister im südfranzösischen Badeort Cannes über strengere Regeln für illegale Einwanderer berieten, suchte die spanische Küstenwache am Montag noch 14 Vermisste. Deren Schlauchboot mit 37 Menschen an Bord war rund 100 Kilometer vor Spaniens Mittelmeerküste gekentert. Ein Rettungskreuzer barg 23 überlebende Nigerianer. Die Überlebenden berichteten, sie seien zwei Tage vorher in Marokko mit Ziel Europa gestartet.
Das UNHCR ermahnte die EU unterdessen zur Einhaltung der Rechte von Asylsuchenden und Flüchtlingen. Die UN-Organisation verfolge die Diskussionen über einen EU-Einwanderungspakt aufmerksam. Man erwarte, dass das Dokument den «Aufbau eines "Europas des Asyls" - eines der Ziele des Paktes - fördert», sagte UNHCR-Sprecherin Jennifer Pagonis am Dienstag in Genf. Ein «Europa des Asyls» könne jedoch nur funktionieren, wenn Menschen, die Schutz suchten, auch tatsächlich europäischen Boden erreichen könnten.
Das UNHCR rief die EU-Staaten weiter auf, verstärkt Flüchtlinge bei sich anzusiedeln. Die EU stelle dafür weltweit nur fünf Prozent der Plätze zur Verfügung. Die französische EU-Ratspräsidentschaft sollte sich zudem für bessere Entscheidungen über Asylanträge einsetzen. Bisher entscheiden die Behörden der 27 EU-Staaten sehr unterschiedlich über Asylgesuche. Eine bessere Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten sowie die Schaffung eines Europäischen Asylbüros seien positive Vorschläge, sagte Pagonis.
Nach Einschätzung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries wird der Aufbau eines gemeinsamen EU-Asylsystems aber schwierig. In Deutschland entschieden Richter über Asylfälle auf der Grundlage zentral erstellter Berichte über die Herkunftsländer der Bewerber. «Wir müssten quasi allen Richtern in Europa die Informationen auf dem gleichen hohen Niveau zur Verfügung stellen», sagte Zypries am Dienstag in Cannes. Es werde nicht einfach sein, diese Voraussetzungen wie geplant bis 2012 zu schaffen.
Die EU-Innenminister hatten tags zuvor breite Zustimmung zum von Frankreich vorgeschlagenen «Pakt zu Einwanderung und Asyl» geäußert, der vor allem auf die legale Einwanderung benötigter Arbeitskräfte setzt. Zugleich sollen die EU-Außengrenzen stärker geschützt und illegale Migration schärfer bekämpft werden. Mehrere Minister bestritten, dass Europa zur Festung ausgebaut werde.
Die Polizei nahm am Rande des Ministerrats 24 Demonstranten fest. Wie die Zeitung «nice-matin» berichtete, hatten die Menschenrechtler T-Shirts und ein Transparent mit der Aufschrift «Nein zum Bunker- Europa» enthüllt. Auch der Präsident der französischen Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft (MRAP), Mouloud Aounit, sei festgenommen worden. Zugleich hinderten Polizisten ein Fernsehteam der Deutschen Welle daran, die Demonstration zu filmen.
- Themen:
- Europäische Union
- Polizei
- UNO