Drohnenabwehr: Der Schwachpunkt an der Nato-Ostgrenze

Russische Drohnen fliegen bis nach Polen – und die Nato sucht nach schnellen Lösungen. Warum die Verteidigungslücke an der Ostflanke so schwer zu schließen ist.
Carsten Hoffmann, Doris Heimann und Friedemann Kohler, dpa |
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Bergung einer beschädigten Drohne in Polen. (Archivbild)
Bergung einer beschädigten Drohne in Polen. (Archivbild) © Rafal Niedzielski/AP/dpa
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Warschau/Berlin

Das Eindringen russischer Militärdrohnen in den polnischen Nato-Luftraum alarmiert das Bündnis und legt eine Schwäche offen. Auch wenn Kampfflugzeuge einen Teil der unbemannten Fluggeräte abschießen konnten, hat sich die Außengrenze als leicht überwindbar erwiesen. Deutschland und anderen europäischen Nato-Partnern ist die Verteidigungslücke bewusst, die erst langsam geschlossen werden kann. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema:

Wie steht es um die Fähigkeit zur Drohnenabwehr?

Bei dem Drohnenvorfall in der Nacht auf Mittwoch ließ der Generalstab der polnischen Armee die Flugobjekte von polnischen und in Polen stationierten niederländischen Kampfjets abschießen. Das ist aufwendig, dient aber der Sicherheit der Bevölkerung. "Denn es kommt nicht auf den Wert dieser Rakete an, sondern auf den Wert dessen, was diese Drohne zerstören kann. Wir werden eine 100-mal teurere Rakete einsetzen, wenn wir damit auch nur das Leben eines einzigen Polen retten können", sagte Generalstabschef Wieslaw Kukula. 

In Deutschland hat der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, die fehlenden Fähigkeiten zur Abwehr von Drohnen als größte Schwäche bezeichnet. Er sprach für die Bundeswehr, in anderen Nato-Streitkräften ist die Lage aber kaum anders. Nun soll wieder eine Heeresflugabwehr aufgebaut werden. Die Bundeswehr wartet dafür auf Waffensysteme wie den Skyranger, ein mobiles Flugabwehrsystem auf Fahrzeugen. 

Die Ukraine bekommt diese Waffe noch vor der Bundeswehr. Das Heer setzt auch auf die sogenannte Fliegerabwehr aller Truppen. Dabei werden auch Waffen genutzt, die nicht zuvorderst für den Einsatz gegen Ziele in der Luft gedacht sind. Mais nannte als Beispiel die 30-Millimeter-Kanone des Schützenpanzers Puma und Änderungen am Feuerleitrechner des Systems.

Was kann schnell getan werden?

Nato-Militärs berieten am Mittwoch, wie und mit welchen Systemen die Luftverteidigung an der Ostflanke verstärkt werden könnte. Der Einsatz von Kampfflugzeugen wie des Tarnkappenjets F-35 und Lenkflugkörpern ist teuer, viel teurer als die Herstellung der russischen Drohnen. 

Dass es sich beim Einflug um ein Versehen handelt, erscheint nach Prüfungen aus Militärkreisen unwahrscheinlich. Der Großteil der Drohnen oder möglicherweise sogar alle seien mit Sprengstoff bestückt gewesen. Auffällig ist allerdings, dass mehrere Drohnen ohne Detonation am Boden einschlugen. Mindestens eine Drohne sei aber in Richtung Verteilzentrum für die Ukraine-Militärhilfe am Flughafen Rzeszow gesteuert, wurde der dpa aus Nato-Kreisen erklärt. Auch der "Spiegel" berichtete darüber.

Was fordert Polen von den Nato-Partnern? 

Regierungschef Tusk hat Polens Forderung klar formuliert: "Wir erwarten deutlich mehr Unterstützung bei der Verteidigung des polnischen Luftraums". Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz sagte, Schweden wolle kurzfristig Gerät zur Luftabwehr und Flugzeuge nach Polen verlegen. Tschechien will drei Hubschrauber einer Spezialeinheit entsenden, sie sollen der polnischen Armee helfen, das Land vor Drohnen zu schützen, die in geringer Höhe operieren. Auch der niederländische Verteidigungsminister Ruben Brekelmans sagte weitere Hilfe bei der Luftabwehr zu. Nach Angaben von Kosiniak-Kamysz gibt es zudem Angebote aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Finnland und den baltischen Staaten. 

Welche Rolle spielt Moskaus psychologische Kriegsführung?

In Polen wird das Eindringen der russischen Drohnen auf Nato-Gebiet nicht nur als Akt der militärischen Aggression, sondern vor allem als Teil von Moskaus psychologischer Kriegsführung gewertet. "Russland liegt derzeit nichts daran, einen Krieg im traditionellen Verständnis anzuzetteln. Es geht um Verwirrung. Um das Durcheinanderbringen eines Staats, der nicht weiß, womit er es wirklich zu tun hat", kommentiert die Zeitung "Dziennik Gazeta Prawna".

Regierungschef Tusk mahnte die Bevölkerung, sich nicht an Desinformationskampagnen zu beteiligen. "Die Verbreitung russischer Propaganda und Desinformation in der heutigen Situation ist ein Akt zum Schaden des polnischen Staates, der direkt auf die Sicherheit des Vaterlandes und seiner Bürger abzielt", schrieb Tusk auf X. 

Das polnische Digitalisierungsministerium warnte ebenfalls vor Desinformation im Netz und veröffentlichte eine Liste der Erzählungen, die von russischen und belarussischen Quellen verbreitet werden. Dazu gehört die Behauptung, dass die Ukraine das EU- und Nato-Mitglied Polen in den Krieg mit Russland hineinziehen wolle und selbst die Drohnen ins Nachbarland geschickt habe. 

Wie ist die Lage an Polens Ostgrenze?

An insgesamt 1.200 Kilometern seiner Ostgrenze hat es Polen mit Nachbarn zu tun, die nicht Teil von EU und Nato sind. Das Land grenzt an die russische Exklave Kaliningrad, an das mit Moskau verbündete Belarus und an die Ukraine (535 Kilometer), die seit mehr als dreieinhalb Jahren einen russischen Angriff abwehrt. Insofern sind Ziele in Polen für russische Drohnen leicht erreichbar, da diese auch aus Belarus oder Kaliningrad gestartet werden können.

Mit besonderer Besorgnis blickt man in Warschau auf das geplante russisch-belarussische Militärmanöver Sapad 2025 (Westen), das vom 12. bis 16. September abgehalten werden soll. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, geht bei der russisch-belarussischen Großübung von rund 13.000 übenden Soldaten in Belarus und weiteren 30.000 auf russischem Gebiet aus.

Welche Konsequenzen gegen Moskau sind möglich?

Vorschläge, um gegenüber Moskau Stärke zu zeigen, gibt es viele: Härtere Sanktionen, einen endgültigen europäischen Ausstieg aus russischem Öl und Flüssigerdgas, die Einziehung eingefrorener russischer Guthaben. 

Neben der Stärkung der polnischen Flugabwehr werden auch militärische Schritte diskutiert. Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter nannte es sinnvoll, "die Luftverteidigung über der Westukraine zu übernehmen, also die Luftverteidigung in die Nato-Verteidigung zu integrieren und unbemannte Flugkörper abzuschießen". 

Dies ist eine alte Forderung der Ukraine, deren Außenminister Andrij Sybiha wiederholte sie am Mittwoch. Es sei aber keine Entscheidung getroffen, sagte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. Bislang haben die westlichen Verbündeten Kiews diesen Schritt gescheut, um eine direkte militärische Konfrontation mit Moskau zu vermeiden.

Doch es könnte auch eine Gefahr darin liegen, wenn es keine Konsequenzen gibt. "Die politische Reaktion, wenn auch spät, war sehr klar und geschlossen", sagte die Sicherheitsexpertin Claudia Major dem Deutschlandfunk. "Aber wenn nichts anderes passiert, kann ja eigentlich Russland die Lehre ziehen, sie können beim nächsten Mal noch ein bisschen weitertesten."

Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de

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