Eskalation in Ägypten: Im Sturm der Steine

Das Militär stellt sich zwischen die Front auf den Tahrir-Platz. Drei Tote und bis zu 1500 Verletzte bei den Straßenschlachten. Ägyptens Generalstaatsanwalt hat Regimevertretern verboten, das Land zu verlassen.
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Von bis zu 1500 Verletzten war in Ägypten die Rede
dpa Von bis zu 1500 Verletzten war in Ägypten die Rede

KAIRO - Das Militär stellt sich zwischen die Front auf den Tahrir-Platz. Drei Tote und bis zu 1500 Verletzte bei den Straßenschlachten. Ägyptens Generalstaatsanwalt hat Regimevertretern verboten, das Land zu verlassen.

Wieder flogen Steine, wieder gab es Verletzte und mindestens drei Tote auf dem Tahrir-Platz. Der Aufstand in Ägypten steht auf Messers Schneide. Die Hauptrolle, die Rolle des Schiedsrichters, spielt das Militär. Hat es sich auf die Seite der Demonstranten geschlagen? Dafür gibt es Anzeichen, klar ist es nicht. Ägyptens Generalstaatsanwalt hat Regimevertretern verboten, das Land zu verlassen.

Nach einem brutalen Tag und einer Nacht mit Barrikaden und Brandsätzen hat sich die Lage auf dem zentralen Platz in Kairo etwas beruhigt. Zwar kam es noch immer zu Scharmützeln, größere Straßenschlachten blieben zunächst aus. Die Armee mit ihren Kettenfahrzeugen und Panzern hat sich zwischen Pro-Mubarak-Kämpfer und die Demonstranten gestellt. Vier Panzer räumten eine strategisch wichtige Brücke, von der aus Mubaraks Leute am Mittwoch die Gegner unter Dauerbeschuss genommen hatten.

Mehrmals hinderten Soldaten Mubarak-Gefolgsleute, Demonstranten anzugreifen. In der Nacht waren mindestens drei Menschen auf Seiten der Regimegegner ums Leben gekommen. Die Rede war von bis 1500 Verletzten. Etliche wurden in den Seitenstraßen von freiwilligen Ärzten behandelt. Mit abenteuerlichen Helmen aus Schaumstoff und Plastikflaschen schützten sich die Demonstranten gegen den Steinehagel.

Die Anti-Mubarak-Front scheint ungebrochen. Mohammed Gamil, ein Zahnarzt in blauer Krawatte ist am Donnerstag zurückgekommen zum Tahrir-Platz. Neben einer Barrikade steht Fayeka Hussein, eine verschleierte Mutter von sieben Kindern. Sie sammelt Steine, falls es wieder losgeht. Magdi Abdel-Rahman, ein 60-jähriger Großvater stellt sich den Mubarak-Leuten entgegen, so wie auch Jassir Hamdi, Vater einer zweijährigen Tochter: „Sie soll es einmal besser haben als ich“, sagt er. Sie blieben zuversichtlich, Mubaraks Gegner scheinen die Oberhand zu behalten, entschieden ist der Kampf noch lange nicht.

„Das Militär ist der Schiedsrichter,“ sagt Nahost-Experte Asiem El Difraoui von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Sollte es sich auf eine Seite schlagen, wäre der Kampf entschieden, meint der Experte: „Die größte Katastrophe wäre, wenn die Armee auseinanderfallen würde.“ Dafür gebe es bislang keine Anzeichen. Gebraucht werde „ein General, dem die Ägypter vertrauen, die Übergangsregierung anzuführen“.

Auch SWP-Experte Diafruoi sagt, dass an einer Beteiligung der Moslembrüder an der nächsten Regierung „kein Weg vorbeiführt“. Die Bewegung habe viele Anhänger, sei aber nicht geschlossen: Es gibt einen konservativen und einen liberalen Flügel.

Die aktuelle Regierung versucht derweil, gut Wetter bei der Opposition zu machen: Ministerpräsident Ahmed Schafik entschuldigte sich für Angriffe der Mubarak-Anhänger auf die Demonstranten. „Das war ein eklatanter Fehler“, sagte Shafik - ein beispielloser Akt. Bemerkenswert auch der Spruch des ägyptischen Generalstaatsanwalts, der Mitgliedern des Regimes die Ausreise aus Ägypten untersagte.

Schon in den ersten Tagen des Aufstands gab es Gerüchte, Mitglieder des Clans von Mubarak hätten sich ins Ausland abgesetzt. Während seiner 30 Jahre an der Macht soll er ein 40-Milliarden-Vermögen zusammengerafft haben. mm.

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