Ende der Wehrpflicht spart 400 Millionen im Jahr
BERLIN - Die Wehrpflicht wird verkürzt. Ist das ein Abschied vom „Staatsbürger im Uniform“? Damit gäbe es aber auch gleichzeitig ein anderes Problem: Die Grundlage für den Zivildienst fiele weg.
Nach Guttenbergs Vorstoß steht mit der Wehrpflicht 54 Jahre nach ihrer Einführung auch ein Stück bundesrepublikanische Selbstverständnis auf dem Prüfstand.
Ab 1. Juli sollte die Wehrpflicht statt neun sechs Monate betragen. Würde die Wehrpflicht „ausgesetzt“, heißt das noch nicht, dass sie abgeschafft ist. Verfassungsmäßig bliebe sie bestehen. Junge Männer könnten weiterhin gemustert werden – und im Bedarfsfall eingezogen. Gespart würden 400 Millionen Euro im Jahr. De facto käme das einer allmählichen Abschaffung der Wehrpflicht gleich, denn es bräuchte dann den Übergang zu einer verkleinerten Berufsarmee. Guttenberg: „Bei einer hochprofessionellen, bestens ausgerüsteten und flexiblen Einsatzarmee haben Sie kaum noch Kapazitäten, Rekruten auszubilden.“
Die Wehrpflicht gilt in der Bundesrepublik seit 1956, seit 1968 ist sie im Grundgesetz verankert. Für Theodor Heuss, den ersten Bundespräsidenten, war die Wehrpflicht ein „legitimes Kind der Demokratie“. Sie ging einher mit dem Selbstverständnis des „Staatsbürgers in Uniform“. Der Soldat sollte Teil der demokratischen Gesellschaft sein, es galt, einen „Staat im Staate“ zu verhindern. In der Armee sollten sich weder Rechtsradikale noch sonstige Randgruppen sammeln.
Heute sagt Guttenberg: „Nur weil die Wehrpflicht ausgesetzt wird, entsteht noch keine Parallelgesellschaft.“ Die Zahlen zeigen, dass die Bundeswehr schon jetzt vor allem eine Freiwilligenarmee ist. 2009 wurden nur 15 Prozent der rund 440000 in Frage kommenden Männer einberufen: 68000 leisteten ihren Grundwehrdienst. 190000 dienen als Zeit- oder Berufssoldaten.
Auch in der Bundeswehr gibt es Befürworter einer Berufsarmee: Für die heutigen Auslandseinsätze sei sie spezieller ausgebildet. Probleme sehen viele aber beim Nachwuchs. Oft entscheiden sich Soldaten erst beim Wehrdienst, zu bleiben. Andere Nato-Staaten ohne Wehrpflicht, zum Beispiel Spanien oder Polen, haben Soldatenmangel. „Früher habe ich an den Stolz der Soldaten appelliert, dass es eine Ehre ist, dem Vaterland zu dienen. Heute muss ich den Soldaten dafür danken, dass sie überhaupt gekommen sind“, sagt ein spanischer Oberst.
Mit dem Wegfall der Wehrpflicht fiele auch die Grundlage für den Zivildienst weg – das wären zurzeit 110000 Stellen. Schon die angekündigte Verkürzung des Wehrpflicht, hatte einen Aufschrei der Wohlfahrtsverbände ausgelöst. Als Lösung wird immer wieder der Ausbau des Freiwilligen Sozialen Jahres genannt. Doch es ist freiwillig und schlecht bezahlt. „Wir brauchen da weitere Mittel“, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
Zivis dürfen zwar nur unterstützende Aufgaben übernehmen. Dennoch: Wo heute ein alter oder kranker Mensch vom Zivi gefüttert wird, würde er dann womöglich mit Sonde ernährt. Außerdem, so argumentiert Johannes Freiherr Heeremann, Präsident der Malteser-Hilfsdienstes, nütze der Zivildienst der Gesellschaft auch langfristig: „Es ist ein unschätzbarer Gewinn, wenn künftige Wirtschaftsbosse, Wissenschaftler, Verwaltungsfachleute und Techniker in ihren jungen Jahren die Verletzlichkeit und Hilfsbedürftigkeit des Menschen, seine Würde auch in der der Schwäche, erlebt haben.“ Tina Angerer
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