Eingekesselt in der Hölle von Misrata
Misrata - Eine Stadt wird zum Brennpunkt der Gräueltaten von Gaddafis Schergen: Misrata, Ort der schlimmsten Kämpfe in Libyen. Flüchtlinge aus der seit zwei Monaten eingekesselten Stadt berichten von der Hölle auf Erden: unter Dauerfeuer, kaum Essen und Wasser, Streubomben-Einsatz, Vergewaltigungen.
Misrata ist die einzige Stadt im Osten Libyens, die noch von den Aufständischen gehalten wird, und zugleich eine strategische Schlüsselstelle: Solange sie – und damit die Küstenstraße durch sie hindurch – von den Rebellen gehalten wird, müssen Gaddafis Truppen auf dem Weg in den umkämpften Westen lange Umwege durch die Wüste machen. Seit zwei Monaten wird Misrata von Gaddafis Truppen belagert, seit zwei Monaten halten die Rebellen stand. Jeder Landweg, nach Osten, Süden und Westen, ist abgeschnitten; der einzige Ausweg führt übers Meer.
Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder IOM schicken Boote, um Hilfsgüter zu bringen und Schwerverletzte mitzunehmen. Andere wagen mit Fischerbooten die Flucht nach Bengasi, der Hochburg der Rebellen. Sie erzählen grauenvolle Geschichten: „Das Schlimmste sind die vor Hunger schreienden Kinder”, erzählt Halima Alaa, die mit ihren Enkeln geflüchtet ist. „Wir mussten ihnen den Mund zu halten, damit die Heckenschützen sie nicht hören. Sie folgen den Schreien der Babys.” Ihr Sohn habe sich irgendwann aufgemacht, um Brot zu besorgen; Gaddafis Söldner kippten ihr seine Leiche vor die Tür.
Auch systematische Vergewaltigungen gibt es, berichten Ärzte aus Flüchtlingslagern: Kämpft der Mann an der Front, gehen Gaddafis Söldner zur Wohnung und missbrauchen die Frau – Zermürbung des Gegners. Die Aufständischen haben kaum Waffen, mit Sand versuchen sie, Gaddafis Panzer zu stoppen. Allein am Sonntag wurden in der Klinik von Misrata 17 Tote und 74 Schwerverletzte gezählt, 80 Prozent davon Zivilisten. Ein Mädchen (10) wurde mit einem Kopfschuss eingeliefert – ein Heckenschütze.
„Misrata steht Gaddafi im Weg. Er wird es zerstören”, sagt Mohammed Scherif (65), der mit einem Fischerboot geflüchtet ist. Andere harren aus: „Wir dürfen ihn nicht gewinnen lassen. Wenn wir gehen, wer kann dann noch die Stadt schützen?”, sagt Ali Hannusch, ein junger Kämpfer. Wie er bitten die Einwohner die Nato dringend um mehr Unterstützung. Die Nato sagt dazu, sie tue, was sie könne – aber im Häuserkampf sei ein Einsatz aus der Luft schwierig.
Deutschland hatte dem Einsatz ohnehin nicht zugestimmt, später humanitäre Aktionen versprochen. Aktuell komme dies aber nicht in Frage, so das Verteidigungsministerium: Es gebe noch keine offizielle Anfrage und es sei derzeit zu gefährlich.
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