Diplomatischer Super-Gau

Der US-Geheimdienst hat offenbar Merkels Handy ausspioniert. Das politische Berlin reagiert mit Empörung
Annette Zoch |
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Angela Merkel und Barack Obama auf einem Archivfoto von 2009. Schon damals soll Merkels Handy überwacht worden sein.
AFP Angela Merkel und Barack Obama auf einem Archivfoto von 2009. Schon damals soll Merkels Handy überwacht worden sein.

Die USA spähen Merkels Handy aus. Die Beziehungen zwischen den Ländern werden enorm belaste.

Berlin - Wie eine Schockwelle jagte die Nachricht durch Berlin: Der US-Geheimdienst hat das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausspioniert. Nach ihrem erbosten Telefonat mit US-Präsident Barack Obama am Mittwoch ließ Merkel am Donnerstag die nächste Eskalationsstufe zünden: Bundesaußenminister Guido Westerwelle bestellte den US-Botschafter in Berlin, John B. Emerson, zum Rapport ins Auswärtige Amt ein.

Das ist unter verbündeten Partnern ein ungewöhnlich ernster Vorgang und eine extrem scharfe diplomatische Waffe. Gleich nach der Einbestellung kommt im so genannten „Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen“ die Abberufung eines Botschafters, dann die Ausweisung und seine Erklärung zur „Persona Non Grata“.

„Wir werden dem Botschafter die Position Deutschlands deutlich darlegen“, sagte ein Außenamts-Sprecher. Merkel hatte Obama zuvor bereits persönlich gesagt, dass sie die Aktion „unmissverständlich missbilligt“ und als „völlig unakzeptabel“ ansieht.

Merkels Nummer in den Snowden-Dokumenten

Experten von BND und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik untersuchten Merkels Handy gestern auf mögliche Angriffe. Ihre alte Handynummer, die sie von Oktober 2009 bis Juli 2013 nutzte, taucht in den Dokumenten von NSA-Whistleblower Edward Snowden auf. So lange könnte sie also mutmaßlich abgehört worden sein.

Seit Donnerstag beschäftigt sich nun auch Generalbundesanwalt Harald Range mit der Späh-Affäre: Er bat die betreffenden Behörden, ihm ihre Erkenntnisse zu übermitteln. Der Generalbundesanwalt ist für Staatsschutz-Angelegenheiten zuständig.

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), das eigentlich die Arbeit der deutschen Geheimdienste kontrolliert, berief eine Sondersitzung ein: „Wer Bundeskanzlerin Angela Merkel abhört, der hört auch die Bürger ab“, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der Vorsitzende des PKG. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla solle dort über die Vorwürfe informieren, sagte Oppermann.

Für den wurde das kein angenehmer Auftritt: Er hatte die NSA-Affäre erst im August für beendet erklärt. Plötzlich, wo klar ist, dass eben doch spioniert wird, und dann auch noch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, ist die Fassungslosigkeit groß.

Deutschland ist nicht das einzige Ziel

Sogar Innenminister Hans-Peter Friedrich, der die Vorwürfe bisher stets abgebügelt hatte, sagte: „Eine Entschuldigung der USA ist überfällig. Freunde abzuhören ist weder im privaten noch im öffentlichen Bereich akzeptabel.“ Oppermann warf der US-Seite „Täuschung“ vor.

Unionsfraktionschef Volker Kauder polterte: „Obama kann so nicht weitermachen. Er kann kein Interesse daran haben, dass die Regierungen der westlichen Welt ihn als unzuverlässig betrachten.“ Tatsächlich ist die deutsche Regierung nur eins von vielen Späh-Zielen: Auch Frankreich, Mexiko, Brasilien, Italien und die EU sind betroffen – und wohl noch zig Staaten mehr.

Aus Washington kam am Donnerstag keine offizielle Reaktion mehr. Dafür sorgen sich Deutschland-Experten in den USA um die Beziehungen beider Länder: „Dass Merkel ihre übliche Zurückhaltung aufgibt, ist ein Zeichen für ihre große Verärgerung. Sie ist persönlich getroffen“, sagt Steve Szabo von der Washingtoner Transatlantic Academy. „Die Beziehung zwischen ihr und Obama wird beschädigt sein.“

Auch international gab es harte Kritik. Der britische Guardian kommentierte: „Soldaten Deutschlands und Frankreichs haben in Afghanistan neben US-Truppen gekämpft und sind dort gestorben. Wer braucht Feinde, wenn er solche Verbündete hat?“

 

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