Kommentar

Dieselfahrverbote - Kommentar zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Dieselfahrverbot ist im Wortsinn wegweisend. Jetzt kommt es darauf an, was Politik und Industrie daraus machen. Ein Kommentar von AZ-Onlinechef Stephan Kabosch.
Stephan Kabosch
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Die Leipziger Richter haben ein weises Urteil gesprochen. Und sie haben endlich das getan, wozu die Politik über Jahre nicht fähig - besser wohl: nicht willens - war: Wer nicht die Interessen der Industrie, wer nicht die Rechte der Autofahrer als ein höherwertiges Gut über die Gesundheit der Menschen stellen will, der darf Fahrverbote für Dieselautos nicht kategorisch ausschließen. Denn wie schon die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf festgestellt haben: Fahrverbote sind das effektivste Mittel gegen die Luftverschmutzung. So einfach ist das.

Und so kompliziert wird es. Weil es auch nach dem Leipziger Urteil keinen Automatismus gibt, weil es viele Monate dauern würde, bis die ersten Fahrverbote in Kraft treten könnten, die noch dazu nur schwer zu kontrollieren wären, weil ein Verbot nur die Ultima Ratio sein darf und (nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen) auch sein soll. Weil längst nicht alle Fragen beantwortet sind.

Dieses Urteil ist kein Auftrag an die Dieselfahrer, sein Adressat sind nicht die zu schützenden Bewohner der Innenstädte. Dieser Richterspruch ist ein klarer Auftrag an die Politik und die Industrie. Beide haben das Schlamassel verursacht, in dem sich Städte, Bewohner und Autobesitzer befinden. Sie haben sich nun dieser Verantwortung zu stellen, indem sie endlich und entschlossen handeln, Klarheit schaffen, für Vertrauen und Rechtssicherheit sorgen.

Kraft dieses Urteils dürften nun einzelne Städte Fahrverbote verhängen, doch der primäre Akteur sollte die Bundesregierung sein. Der Bund ist zuständig für den Emissionschutz. Auf dieser kompetenzrechtlichen Basis muss eine neue Koalition in Berlin für einen bundesweiten Regelungsrahmen sorgen - in Form einer blauen Plakette. Kommunal unterschiedlich geregelte oder gar streckenbezogene Fahrverbote, wie sie die scheidende Regierung in einem letzten Anfall von Aktionismus kurz vor dem Urteil ins Spiel gebracht hat, würden lediglich zu einem schwer zu überblickenden Flickenteppich führen und einem teuren Kontrollchaos. Es wäre ein ähnlicher Murks wie die Posse um die Pkw-Maut für Ausländer aus dem Hause Dobrindt. Fahrverbote auf einzelnen Straßen bleiben hoffentlich ein untauglicher Versuch, die Verantwortung weiterhin auf die Kommunen abzuschieben.

Nachrüstungen für Diesel: Politik muss Hersteller zur Kasse bitten

Ja, durch eine blaue Plakette würden selbst bei großzügigen Ausnahmeregelungen Millionen älterer Diesel aus den Innenstädten verbannt. Man kann es da nur als Ironie begreifen, dass von daraus resultierenden Neuwagenkäufen ausgerechnet die Verursacher profitieren würden. Deshalb muss die Politik nicht nur selbst tätig werden, sondern auch die Hersteller in die Pflicht nehmen. Denn Fahrverbote mögen zwar das effektivste Mittel zum Umwelt- oder besser zum Menschenschutz sein, aber sie sind nicht das einzige. Ein anderes sind Nachrüstungen der Hardware. Damit könnten wenigstens die Besitzer relativ neuer Fahrzeuge mit Euro-5-Norm vor weiterem Wertverlust, vor einer faktischen Enteignung bewahrt werden. Sie haben vor gerade einmal drei Jahren im guten Glauben auf die Händler-Versprechen gehandelt, ein Fahrzeug mit "sauberer Technologie" zu erwerben. Nachrüstungen wären machbar. Finanzierbar wären sie auch, wenn die Kosten dafür (2.000 bis 3.000 Euro) die Hersteller trügen.

Sie zu dieser Mangelbeseitigung zu verpflichten müsste eine der Konsequenzen aus dem Leipziger Urteil sein. Das Geld dazu hat die Autoindustrie angesichts von immer noch Milliardengewinnen reichlich.

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