"Die Zeit ist noch nicht reif"

Seit 2007 sind Rumänien und Bulgarien in der EU, im nächsten Jahr dürften sich die Bürger dieser Länder in der EU frei bewegen. Darüber streiten Europas Innenminister – und vertagen sich
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Seit 2007 sind Rumänien und Bulgarien in der EU, im nächsten Jahr dürften sich die Bürger dieser Länder in der EU frei bewegen. Darüber streiten Europas Innenminister – und vertagen sich

MÜNCHEN Dürfen Bulgaren und Rumänen sich ab 2014 in allen EU-Ländern niederlassen und arbeiten? Diese Frage stand gestern bei den EU-Innenministern in Brüssel auf der Tagesordnung. Deutschlands Vertreter Hans-Peter Friedrich (CSU) ist strikt gegen eine komplette Aufnahme und den damit verbundenen Wegfall der Grenzkontrollen, wie im Schengen-Abkommen vorgesehen. „Derzeit ist die Zeit noch nicht reif“, sagt er. Die Innenminister konnten sich auf keine gemeinsame Haltung einigen, sie vertagten sich auf Dezember. Die AZ erklärt die Streitpunkte:

Worum geht es? Bulgarien und Rumänien sind seit 2007 EU-Mitglied, sind aber längst nicht so integriert wie erhofft. In der EU gibt es die Regel, dass ältere Mitgliedstaaten gegenüber neuen von einer Übergangsregelung von sieben Jahren Gebrauch machen können. Während dieser Zeit kann jedes der EU-Länder das Arbeitsrecht und das Recht der Menschen, sich frei in dem andern EU-Land aufzuhalten, einschränken. Diese Frist läuft zum 1. Januar 2014 ab. Wenn bis dahin alle Mitgliedsländer dem Schengen-Beitritt zustimmen, können auch die Grenzkontrollen wegfallen Deutschland will dies mit einem Veto blockieren.

Was ist das Problem? Nicht nur Akademiker und gut Ausgebildete kommen über die Grenzen. Gerade sogenannte Armutsflüchtlinge versprechen sich, dass sie hier von den Sozialleistungen profitieren können. Davor fürchten sich die Kommunen. Sie fordern ausreichend Krankenversicherungsschutz und genügend Existenzmittel, falls die Einwanderer erwerbslos sind. Es könnten sonst horrende Kosten für Unterbringung und Gesundheitsversorgung auf sie zukommen Vor allem gilt es, die Flüchtlinge vor Schleppern und Mietwucherern schützen. In einem Positionspapier warnt der Deutsche Städtetag, dass allein im ersten Halbjahr 2012 die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist (88 000 Zuzüge). Das ist die offizielle Zahl, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich viel höher – allerdings gibt es auch viele Rückkehrer.

Was dürfen Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien heute schon? Deutschlands Übergangsbestimmung besagt: Akademiker und Azubis brauchen keine Arbeitserlaubnis. Saisonkräfte wie Erntehelfer dürfen hier bis zu sechs Monate arbeiten. Weisen sie nach drei Monaten keine Beschäftigung nach, droht Abschiebung. Seit sie in der EU sind, gilt für Rumänen und Bulgaren die allgemeine Freizügigkeit: Sie dürfen sich in der ganzen EU frei bewegen. Auch dürfen sie ihre Familien nachholen und ein Gewerbe anmelden, über das sie keinen Nachweis erbringen müssen. Das verlockt zur Scheinselbständigkeit.

Welche Rechte haben Rumänen und Bulgaren ab 2014? Anspruch auf Sozialleistungen haben sie dann nur, wenn sie in Deutschland zu arbeiten begonnen oder eine Ausbildung angefangen und somit drei Monate in die Sozialkassen eingezahlt haben. Medizinisch versorgt werden muss allerdings jeder, der in Deutschland krank wird. Was bleibt Rumänen und Bulgaren ab 2014 verwehrt? Grundsätzlich haben sie keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Denn: Sozialleistungen bekommt nur, wer seinen rechtmäßigen Wohnsitz in dem betreffenden EU-Land hat. Und den gibt es nur, wenn man einen Arbeitsplatz hat oder entsprechende Finanzmittel nachweisen kann. Dies ist so geregelt, um „benefit tourism“ zu verhindern – die EU-Kommission geht aber ohnehin davon aus, dass es den nicht gibt.

 

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