Die unheilige Bank: Geldwäsche im Vatikan?

Mafiagelder und Konten für Politiker-Schmiergeld – und das alles unter dem Deckmantel der Kirche: Ein neues Buch enthüllt die schmutzigen Machenschaften des Heiligen Stuhls
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Das Buch Vatikan AG (336 Seiten, erschienen im Ecowin Verlag) gibt es ab sofort für 22,50 Euro im Buchhandel.
dpa Das Buch Vatikan AG (336 Seiten, erschienen im Ecowin Verlag) gibt es ab sofort für 22,50 Euro im Buchhandel.

ROM - Mafiagelder und Konten für Politiker-Schmiergeld – und das alles unter dem Deckmantel der Kirche: Ein neues Buch enthüllt die schmutzigen Machenschaften des Heiligen Stuhls

Der Vatikan steckt schon wieder in einem Skandal – und es geht nicht um Kindesmissbrauch. Der italienische Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi beschreibt in seinem neuen Buch „Vatikan AG“ die schmutzigen Finanzgeschäfte der katholischen Kirche. Politiker-Schmiergelder, Mafiakonten – das klingt nach einer Verschwörungstheorie, aber ist offenbar das tägliche Geschäft der Vatikanbank.

In Italien wurde das Buch zum Bestseller, jetzt wurde es auf Deutsch übersetzt. Es verspricht „die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche“. Nuzzi erzählt detailiert, wie Mafiosi mit Koffer voller Geld in den Vatikan kamen, um Konten zu eröffnen, wie Politiker Schmiergelder im Heiligen Stuhl deponierten – und wie selbst karitative Einrichtungen dazu benutzt wurden, schmutzige Gelder zu waschen.

Die Vatikan-Bank: "ein Paradies für dubiose Geldgeschäfte", sagt Nuzzi

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Vatikanbank, das IOR, das Istituto per le Opere di Religione, auf Deutsch: Institut für die religiösen Werke – „eine Bank, die sich jeglicher Kontrolle entzogen hat und die lange Zeit ein Paradies für dubiose Geldgeschäfte und Geldwäsche war“, sagt Nuzzi.

Bislang war wenig über die Bank bekannt, und noch weniger über die Finanzgeschäfte, die hinter den Mauern des Vatikans abliefen. Und ohne Renato Dardozzi wäre wohl auch nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Bis Ende der 90er Jahre war Dardozzi eine führende Figur in der Verwaltung der Kirchenfinanzen war. Bereits früh bekam Dardozzi Gewissensbisse. Er sammelte im Laufe seiner 20-jährigen Amtszeit interne Berichte, Kontoauszüge, Schreiben und Überweisungen – und legte so ein Archiv mit über 4000 Dokumenten an.

Ohne die Dokumente eines ehemaligen Angestellten, wäre das Buch nicht zustandegekommen

Seinen Erben und Testamentverwaltern gab Dardozzi kurz vor seinem Tod im Jahr 2003 die Aufgabe, das Archiv zu veröffentlichen. „Er wollte damit erreichen, was ihm zu Lebzeiten nicht geglückt ist“, sagt Nuzzi. „Nämlich mit den schmutzigen Geschäften des Vatikans aufräumen.“

Die Nachlassverwalter wandten sich an den bekannten Investigativjournalisten Nuzzi. Der holte die zwei Koffer voller Unterlagen in Begleitung von Bodyguards ab – die brisanten Dokumente waren versteckt in einem abgelegenen Bauernhaus in der Schweiz. „Als ich die Papiere sah, habe ich gleich erkannt, dass daraus mehr zu machen war als ein Artikel für ein Magazin“, sagt Nuzzi.

Spenden gläubiger Katholiken wurden veruntreut

Er arbeitete sich durch die Fülle an Informationen, durch Dokumente, die Verstrickungen mit der Mafia bewiesen. Schmiergeldkonten waren als Stiftungen getarnt – mit zynischen Namen wie „Kampf gegen die Leukämie“. Sogar Gelder gläubiger Katholiken, die für heilige Messen bestimmt waren, wurden auf persönliche Konten transferiert. Nuzzi schrieb die Informationen auf rund 350 Seiten zusammen, doch er glaubt, dass „dies die Spitze des Eisbergs ist – viele Gelder wurden an der Buchführung vorbei geschleust“.

Als das Buch Mai 2009 in Italien unter dem Titel „Vaticano S.p.A“ erschien, sah der Vatikan nur eine einzige Chance: Schweigen. Niemand ging öffentlich auf das Werk ein, Redakteure, die zu Präsentationen eingeladen wurden, setzte man unter Druck. Die großen Fernsehanstalten verloren kein Wort über das Werk. Wenn auch immer ein Journalist einen Beitrag machen wollte, bekam er zu hören: „Man sagt nichts gegen den Vatikan.“ „Das kann nur verstehen, wer selbst in Italien lebt“, so Nuzzi. „Hier bestimmt bis heute ehrfürchtige Unterwürfigkeit das Verhalten gegenüber dem Klerus.“

Der Vatikan schweigt, das Buch verkauft sich rasend schnell

Trotz dieses Quasi-Boykotts verbreitete sich das Buch schnell. Mit 250000 verkauften Exemplaren war „Vatikan AG“ 2009 das meistverkaufte Sachbuch in Italien. Und immer noch schwiegen die Medien – die Zeitungen strichen das Buch sogar aus den Bestsellerlisten.

Auch jetzt schweigt der Vatikan noch. Doch im September 2009 musste Angelo Caloia, der Präsident der Vatikanbank, gehen – und im November 2009 unterzeichnete der Vatikan mit der Europäischen Union ein Währungsabkommen gegen die Geldwäsche. Nuzzi: „Hinter den Kulissen scheint das Buch also einigen Staub aufgewirbelt zu haben.“

Kasanobu Serdarov

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