Die Schlacht des Zorns
Die Lage im Iran ist hochexplosiv: Das offizielle Wahlergebnis hat die schwersten Ausschreitungen seit 30 Jahren ausgelöst. Mahmud Ahmadinedschad lässt sich feiern – und die Proteste niederprügeln
TEHERAN Der blutige Sieg des Hardliners: Nach dem offiziellen Ergebnis, dass Hardliner Mahmud Ahmadinedschad die Wahlen gewonnen hat, ist es im Iran zu den schwersten Straßenschlachten seit 30 Jahren gekommen. Der ohnmächtige Zorn der Anhänger des offiziell unterlegenen Reformers Mir Hossein Mussawi entlud sich massiv, die Regierung knüppelte brutal dazwischen. Die Lage ist hochexplosiv, das Land tief gespalten.
62,63 Prozent für Mahmud Ahmadinedschad, nur 33,75 Prozent für den Reformer Mussawi: So lautet das vom Innenministerium verkündete Ergebnis. Der Herausforderer hält die Zahlen für massiv gefälscht: „Ich werde mich dieser gefährlichen Farce, dieser verlogenen Inszenierung nicht beugen. Die Iraner wissen ganz genau, für wen sie gestimmt haben, sie werden das Stimmzähl-Theater nicht akzeptieren“, erklärt Mussawi auf seiner Homepage, die derzeit kaum erreichbar ist. Auch das komplette Handysystem in der iranischen Hauptstadt wurde am Wochenende abgeschaltet. Mussawi steht angeblich unter Hausarrest.
"Ahmadinedschad, schäm dich!"
Die Organisation von Demonstrationen ist angesichts der gekappten Kommunikation nicht möglich, aber allein durch Mundpropaganda sammeln sich Zehntausende in der Einkaufsmeile Val-e Asr. „Mahmud Ahmadinedschad, schäm dich!“ und „Nieder mit der Diktatur“, skandieren sie. Dann greift die Polizei ein. Sie fährt mit Motorrädern in die Menge, knüppelt auf Alte wie Junge ein. Doch die Demonstranten wehren sich und werfen mit Steinen.
In der Luft liegt eine ungeheure Wut: Ein betagter Straßenfeger kann von Passanten nur mühsam davon abgehalten werden, sich mit Ziegelsteinen bewaffnet in den Kampf gegen die Polizisten zu stürzen; alte Frauen hängen sich an die Füße von gefesselten jungen Männern, die gerade zu Polizeitransportern getragen werden sollen. „Wir sind ohnmächtig, und wir wissen das“, sagt ein junger Demonstrant. „Aber die Regierung muss wissen, dass wir ihr schmutziges Spiel durchschaut haben. Sie soll unsere Wut spüren.“
Der Klerus unterstützt den alten und neuen Präsidenten
Mehr als hundert Oppositionelle werden festgenommen, darunter einige hochrangige Politiker. Es gibt zahlreiche Verletzte, auch einen italienischen Kameramann. Die Regierung verbietet allen Medienvertretern, mit Videoamera oder Fotoapparat auf die Straße zu gehen. Der ARD-Korrespondent darf sein Hotel nicht mehr verlassen.
Derweil feiert Mahmud Ahmadinedschad seinen Sieg, unterstützt vom mächtigen Klerus. Der oberste Führer Ali Chamenei gratuliert ihm ausdrücklich und warnt Mussawi vor „Provokationen“. Mahmud Ahmadinedschad sagt: „Die Menschen im Iran sind nun voller Hoffnung. Ich habe unserem Land das Selbstbewusstsein zurückgegeben.“ Zu den Protesten erklärt er: „Es gibt immer ein paar Unzufriedene, die sich beschweren.“ So sei das halt in einer Demokratie.
Am Sonntag lässt er seine Siegesfeiern abhalten, während sich in den Straßen wieder die Reformer sammeln. Und nun machen sogar Ahmadinedschad-Fans auf Motorrädern mit Eisenstangen Jagd auf alle, die etwas Grünes tragen – die Farbe Mussawis. tan
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