Die Ruhe vor dem Praxis-Sturm in Bayern?

Bundesweit wollen die Hausärzte streiken - außer in Bayern. Aber ein Streit innerhalb der Ärzteschaft kocht hoch. Nach dem Todesszenario von Eberhard Mehl, Geschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes, könnte die Debatte aus den Fugen geraten.
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MÜNCHEN - Bundesweit wollen die Hausärzte streiken - außer in Bayern. Aber ein Streit innerhalb der Ärzteschaft kocht hoch. Nach dem Todesszenario von Eberhard Mehl, Geschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes, könnte die Debatte aus den Fugen geraten.

Diesmal wenigstens sollen Bayerns Patienten verschont bleiben. Bundesweit wollen Hausärzte gegen die Gesundheitspolitik protestieren und drohen mit Praxisschließungen – im Freistaat herrscht vorerst Waffenstillstand zwischen der Politik und den Medizinern.

Währenddessen gärt es innerhalb der Ärzteschaft. Nicht jedem Ärztevertreter ist angesichts der Drohungen seitens der Allgemeinmediziner wohl. Eberhard Mehl, Geschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes, hatte am Mittwoch gewarnt, es könne „Menschenleben kosten“, wenn Arztpraxen wegen zu niedriger Honorare geschlossen würden. Viele Allgemeinärzte sind in Panik, weil Bundesgesundheitsminister Philip Rösler die Honoraranstiege durch die Hausarztverträge begrenzen will.

Der Ärzteverband Hartmannbund findet Todesszenarien trotzdem übertrieben. „Bei allem Verständnis für den Streit in der Sache mache ich mir doch erhebliche Sorgen, dass diese Debatte aus den Fugen gerät“, findet Verbandschef Kuno Winn. „Wir müssen schon sehr aufpassen, dass wir die Menschen noch mitnehmen und einem angemessenen Dialog mit der Politik nicht jeden Boden entziehen.“ Abgesehen davon beschädigten solche Äußerungen das Berufsbild des Arztes.

Die Kassen in den meisten Bundesländern machen sich ab Mitte September auf Protestaktionen und Praxisschließungen gefasst. Damit wollen die Hausärzte die Patienten über ihre Anliegen informieren. In Bayern ist allerdings vorerst Ruhe – die Hausärzte, die vor noch nicht allzulanger Zeit offen dazu aufgefordert haben, die CSU nicht mehr zu wählen, präsentieren sich im Schulterschluss mit der Politik.

Die hatte sich zuletzt äußerst loyal mit den Medizinern gezeigt: Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder sicherte zu, dass der Freistaat und die CSU alle Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Rösler stoppen würden, die die Einkünfte der Praxen schmälern könnten. Die betragen übrigens im Freistaat laut Statistik pro Hausarzt-Praxis zurzeit 212 000 Euro im Jahr, davon 112 000 Euro Reingewinn. Noch nicht enthalten in dieser Summe sind die Einkünfte, die der Arzt über Abrechnungen mit den Privatkassen oder direkt mit seinen Patienten erhält.

Unklar ist, wie lange der Frieden zwischen Ärzten und Kassen beziehungsweise der Politik in Bayern währt. Den gesetzlichen Kassen droht im nächsten Jahr ein Elf-Milliarden-Defizit, neue Rangeleien ums Geld sind sicher. Werden dann auch bayerische Patienten vor geschlossenen Praxistüren stehen? Sergej Saizew vom Verband der Ersatzkassen winkt ab: Allein in München gebe es fast ein Drittel mehr Hausarzt-Praxen als nötig, im Freistaat seien es gut zehn Prozent zuviel. Vom medizinischen Notstand sind die Bayern also weit entfernt, selbst wenn sich Teile der Mediziner zu Behandlungs-Streiks entschließen würden.

In vielen Arztpraxen hängen allerdings noch Plakate, die die Patienten mehr oder minder offen zum Wechsel in die AOK auffordern, die den Hausärzten zuletzt großzügige Honorarerhöhungen zugestand. Zum Teil wird den Versicherten auch nahegelegt, sich für ein Hausarzt-Programm einzuschreiben, das dem Arzt Zuschläge bei der Honorierung garantiert. Kein Patient müsse diesem Ratschlag folgen stellt Sajzew fest. Die Kassenwahl sei „alleiniges Privileg des Versicherten“.

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