Die Renaissance

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Die Deutschen entdecken plötzlich Vorteile der Kernenergie. Atomstrom ist billig, sauber und bewahrt die Republik vor Abhängigkeit: Das verspricht zumindest die Atomlobby.
Eigentlich dachten wir, dass wir mit der Atomkraft ein für allemal abgeschlossen hätten. Atomkraft? Nein danke! 2002 hat die rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg beschlossen. Die jüngsten Störfälle in den Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel schienen eindeutige Argumente für den Ausstieg zu sein.
Doch plötzlich finden die Bundesbürger AKW gar nicht mehr so bedrohlich. Nach einer aktuellen EU-Umfrage sind 47 Prozent der Deutschen gegen Atomkraft – und 46 Prozent dafür. Die Zahl der Befürworter ist seit 2005 um acht Prozentpunkte gestiegen. Atomkraft? Ja bitte! Was ist passiert?
Drei einflussreiche Interessensgruppen trommeln nicht nur für eine Verlängerung der Laufzeiten der Atommeiler sondern auch für den Bau weiterer Kernkraftwerke. Und damit stehen sie international nicht alleine da: Länder wie Frankreich, Italien, Finnland und viele osteuropäische Staaten wollen neue Atommeiler bauen. Die AZ stellt drei Gruppen der deutschen Atomlobbyisten vor.
Die „Sparer“
Die Angst vor teurer Energie wird nicht nur an den Zapfsäulen genährt, sondern auch durch horrende Stromrechnungen verstärkt. Und da setzten die Atomlobbyisten an: Gehen die Kernkraftwerke vom Netz, müssen Gas- und Kohlekraftwerke einspringen. Seit Anfang des Jahres haben sich die Preise für Öl und Gas fast verdoppelt. In den kommenden Monaten soll der an Gas gekoppelte Ölpreis noch weiter steigen. Auch der Preis für Kohle hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Atomenergie kostet im Vergleich viel weniger. Bayerns Wirtschaftsministerin Emilia Müller (CSU) ließ ihre Energiepolitik von einem Stuttgarter Professor begutachten. Dessen Ergebnis in der „Energieprognose Bayern 2030“: Der Atomausstieg sei zwar machbar, gefährde aber die Sicherheit der Versorgung, mache Strom teuer und sei schlecht für die Umwelt. Deshalb sagt Müller: „Wir können es uns nicht leisten, aus ideologischen Gründen auf diesen Energieträger zu verzichten.“
Die „Klimaretter“
Bis 2020 will Deutschland seinen Kohlendioxidausstoß um 40 Prozent drosseln. Eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney sagt voraus, dass dieses Ziel ohne Kernkraft nie erreicht werden kann. Denn AKW stoßen nur 32 Gramm CO2 pro Kilowattstunde aus. Braunkohlekraftwerke stoßen 1150 Gramm CO2 aus. Kerntechnik hat deshalb auch in der Ökoszene Fans: Greenpeace-Gründer Patrick Moore zum Beispiel.
Die „Patrioten“
Über zwei Drittel der bayerischen Energie ist Kernenergie. Gehen die fünf bayerischen Atommeiler bis 2021 wie geplant vom Netz, entsteht eine Energielücke von 6125 Megawatt. Die Staatsregierung will den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 von heute zehn auf 20 Prozent steigern. Und der Rest? Die „Patrioten“ befürchten, dass sich Deutschland immer mehr Energie aus dem Ausland, vor allem Russland, kaufen muss – und so abhängig wird. Kein Land der Welt importiert jetzt schon so viel Gas, Öl und Kohle wie Deutschland.
Volker ter Haseborg
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