Die Horror-Koalition gegen die Mieter

Kürzere Kündigungsfristen, höhere Gebühren: Unter Schwarz-Gelb drohen Mietern deutliche Nachteile. Vor allem die Münchner würde das hart treffen. Mietervereine laufen dagegen Sturm
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Für Mieter ist der Koalitionsvertrag von Guido Westerwelle (FDP), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) ein Horror-Werk: Auf sie kommt jede Menge Ärger zu.
az/ddp Für Mieter ist der Koalitionsvertrag von Guido Westerwelle (FDP), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) ein Horror-Werk: Auf sie kommt jede Menge Ärger zu.

Kürzere Kündigungsfristen, höhere Gebühren: Unter Schwarz-Gelb drohen Mietern deutliche Nachteile. Vor allem die Münchner würde das hart treffen. Mietervereine laufen dagegen Sturm

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist ein dickes Ding: 124 Seiten lang, jede einzelne Zeile darin ist durchgezählt – bis zur Nummer 6137. Gerade mal neun Zeilen davon hat Schwarz-Gelb für seine Pläne im Mietrecht reserviert.

Das klingt wenig. Doch die exakt sieben Sätze haben es in sich. Sollte die Koalition sie so umsetzen, wie es Mietervereine befürchten, heißt das: Mieter werden künftig deutlich schlechter gestellt. Und gerade die Mieter in München würde es besonders hart treffen. Die AZ nimmt die Pläne der Regierung unter die Lupe.

KÜNDIGUNGSFRISTEN

Sie sollen künftig für Mieter und Vermieter einheitlich sein. „Das dürfte nichts anderes bedeuten, als dass Vermieter das Mietverhältnis immer innerhalb von drei Monaten kündigen können“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Bislang gilt für langjährige Mieter ein besserer Schutz: Ab fünf Jahren beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate, ab acht Jahren neun Monate. „Die Neuregelung würde alle schlechter stellen, die länger als fünf Jahre in einer Wohnung zur Miete wohnen“, sagt Ropertz. „Also jene Mieter, die eigentlich die verlässlichsten sind, etwa ältere Menschen.“

Sie hätten es besonders schwer, bei einer Kündigung innerhalb der kurzen Dreimonatsfrist eine neue Bleibe zu finden. „Gerade in einer Stadt wie München, mit einem äußerst engen Wohnungsmarkt, wäre das fatal“, sagt Beatrix Zurek, Chefin des Münchner Mietervereins. Jährlich, so schätzt der Mieterbund, sprechen Vermieter in Deutschland mehr als 100000 Kündigungen aus – die meisten wegen Eigenbedarfs (siehe Artikel unten). Beatrix Zurek fürchtet: Wegen der kürzeren Fristen wird es öfter Streit zwischen Mietern und Vermietern geben – auch vor Gericht. „Wer länger Zeit hat, sich neu zu orientieren, der einigt sich auch eher gütlich mit dem Vermieter.“

MIETMINDERUNG

Will ein Vermieter seine Immobilie klima- und umweltfreundlich sanieren, sollen die Bewohner künftig keine Mietminderung mehr geltend machen dürfen. Im Klartext heißt das: Auch wenn während der Sanierung Riesen-Baulärm herrscht oder Heizung und Toilette nicht mehr funktionieren, darf man die Miete nicht kürzen. Bislang ging das.

Die neue Regelung soll die Öko-Sanierung für die Vermieter attraktiver machen. Ein Trugschluss, glaubt Zurek: „Dass nicht öfter saniert wird, liegt nicht an drohenden Mietminderungen. Sondern daran, dass die staatliche Förderung nicht aufgestockt wird.“ Es bringe daher nichts, das Recht der Mieter zur Minderung zu beschränken, glaubt die Mietervereins-Chefin.

BETRIEBSKOSTEN

Auch bei Müll-, Abwasser- und Heizungskosten droht den Mietern eine Verschlechterung. In Zukunft will die Koalition kommunale Abwasser- und Entsorgungsbetriebe genauso besteuern wie private. Bislang zahlen sie keine Steuern. Die Folge: Die Gebühren für Müll und Abwasser könnten steigen – und zwar bis zu 150 Euro im Monat, das hat der Mieterbund ausgerechnet.

Hinzu kommt: Die Koalition will dafür sorgen, dass Vermieter die Organisation der Wärmeversorgung in Mietshäusern verstärkt an private Firmen vergeben – etwa an lokale Energielieferanten oder Heizungs-Messdienste. „Das dürfte zu steigenden Betriebs- und Heizkosten führen“, glaubt Ulrich Ropertz. Denn die Privatfirmen könnten mehr Kosten als bisher auf die Mieter umlegen.

MIETZAHLUNGEN

Hartz-IV-Empfänger dürfen künftig möglicherweise ihre Miete nicht mehr selbst an die Vermieter überweisen. „Staatliche Transferleistungen zu den Wohnkosten“, heißt es im Koalitionsvertrag, „müssen auch tatsächlich den Vermieter erreichen.“ Soll heißen: Die Sozialämter sollen die Unterkunftskosten künftig direkt an die Vermieter zahlen.

Für den Mieterbund ist das nicht nur eine „Entmündigung von knapp vier Millionen Haushalten in Deutschland“. Bei einer direkten Überweisung, so Ulrich Ropertz, „gebe es auch niemand mehr, der die Miet- und Nebenkostenabrechnung kontrolliert.

Andreas Jalsovec

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