Die Glöckchen vom Nikolaus sind in Gefahr: So will die EU Müll sparen
Straßburg - Die EU-Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Straßburg für ein Gesetz, das bis 2040 unter anderem 20 Prozent weniger Plastikverpackungen vorsieht. Leichte Plastiktüten etwa für loses Obst und Gemüse in Supermärkten werden demnach verboten.
Verpackungen sollen künftig zudem grundsätzlich recycelbar sein, Ausnahmen gelten unter anderem für medizinische Produkte. In Gaststätten und Hotels sollen Kundinnen und Kunden überall eigene Behälter mitbringen können, um Einwegverpackungen zu vermeiden. Lebensmittelverpackungen sollen dem Gesetz zufolge keine schädlichen Chemikalien wie PFAS oder Bisphenol A mehr zugesetzt werden.
Das Verbot sei „ein wichtiger Sieg für die Gesundheit der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher“, erklärte die im Parlament zuständige Berichterstatterin Frédérique Ries (Liberale). Angelika Niebler (CSU), Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe und Mitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, zeigte sich zufrieden: „Wir müssen Müll vermeiden und europaweit Rückgabe- und Pfandsysteme weiter ausbauen, um den immer größer werdenden Müllbergen Herr zu werden. Daher ist es gut, dass wir mit der heutigen Abstimmung einen ersten wichtigen Schritt zum Ausbau von Rücknahme- und Pfandsystemen in allen europäischen Mitgliedstaaten gemacht haben“, sagte sie laut Mitteilung.
Im Nachbarland Frankreich sorgte das Gesetz zuletzt für Ärger, weil die neuen Vorschriften auch die traditionelle Holzschachtel um den Camembert-Käse betroffen hätten.
Auf Drängen mehrerer französischer Abgeordneter soll für Verpackungen aus Holz und Wachs nun eine Ausnahme gelten, sie müssen nicht zwingend recycelbar sein.
Christian Doleschal (CSU), Mitglied des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, bezeichnete die Entscheidung als „grundsätzlich richtig“.
Jedoch: „Entscheidend für den Erfolg der Verordnung ist aber, dass die Vorgaben auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage beruhen und nachvollziehbar sind.“
Auf jeden Menschen in der EU kommen pro Jahr im Schnitt rund 190 Kilogramm Verpackungsmüll.
Brüssel/Straßburg - Heute schon etwas weggeworfen? Um Müll geht es am Mittwoch auch im EU-Parlament. Denn in der EU nimmt allen Nachhaltigkeits-Influencern zum Trotz der Verpackungsmüll deutlich zu: 188,7 Kilogramm Verpackungsmüll pro Einwohner waren es 2021 - und damit 10,8 Kilogramm mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2011 sind es sogar 32 Kilogramm mehr.
Zwar ist Deutschland Recycling-Meister in der EU, aber verbucht auch satte 237 Kilo Verpackungsmüll pro Kopf, während es beispielsweise in Kroatien nur 74 Kilo waren. Laut der EU-Abgeordneten Angelika Niebler liegt die Gesamt-Recyclingquote in der EU bei nur 40 Prozent. "Der Anteil der nicht-recyclingfähigen Verpackungen ist von 2011 bis 2020 massiv nach oben gestiegen", sagt Niebler im Pressegespräch.
Müssen ab 2030 alle Verpackungen recyclingfähig sein?
An der Frage, was die EU genau tun kann, scheiden sich jedoch die Geister. Für sinnvoll hält sie, dass ab 2030 alle Verpackungen recyclingfähig sein müssen. Rücknahme- und Pfandsysteme sollen ebenfalls ausgebaut werden. Zudem sei das Ziel, mehr Vereinheitlichung bei der Verpackungskennzeichnung hinzukriegen, so Niebler.
Sie stört sich besonders daran, dass Mehrweg-Verpackungen ein Vorrang vor Recycling gegeben werden sollte. "Es gibt keine Studien, die belegen, dass das besser ist!", sagt Niebler.
Die Abgeordnete, die im Industrieausschuss sitzt, und ihr CSU-Kollege in Brüssel, Christian Doleschal, fürchten jedoch, dass trotz aller guten Motive wieder Bürokratie aufgebaut wird. Und zwar gleich eine solche, die die Bürger verstören könnte. Der französische Camembert muss bangen, ob er sich auch künftig in die Spanschachtel betten darf. Denn wirtschaftlich ist das Recycling der Holzverpackung nicht rentabel. Auch wenn sie nicht aus Frankreich kommen, finden die beiden EU-Politiker vieles übertrieben.
Werden bald die Glöckchen am Schoko-Nikolaus verbannt?
In Bayern sorgen sich die Brauereien. Denn maximal soll der Leerraum bei 40 Prozent liegen. Ein normales Biertragerl würde das nicht erfüllen, so Niebler. Sie hat daher eine Änderung beantragt. Der besondere Stein des Anstoßes: das Glöckchen, das am Schoko-Osterhasen oder -Weihnachtsmann hängt. Niebler und Doleschal finden es "überzogen", die Glöckchen zu verbieten wie geplant. Zugleich müssen wohl die meisten Menschen einräumen, dass sie diese Glöckchen nicht noch monatelang nutzen, sondern dass sie doch unmittelbar auf dem Müll landen. Doleschal warnt jedoch davor, es "mit der Regulatorik" zu übertreiben.
Malte Gallée, EU-Abgeordneter der Grünen sagt der AZ hingegen, die Verpackungs-Verordnung ziele nicht darauf ab, Glöckchen zu verbieten, sondern überflüssige Verpackungen zu reduzieren. "Wilde Spekulationen über die Auswirkungen dieser Regelungen helfen dabei nicht, gemeinsam Lösungen zu finden, wie wir die riesigen Berge an Verpackungsmüll abtragen", sagt Gallée.
Seine Devise: "Erstens Vermeiden, zweitens Wiederverwenden, drittens Recyceln." Insofern kritisiert er, dass die Konservativen Mehrwegquoten aus dem Gesetz streichen wollten. Zumal der Mehrwegsektor "ein riesiger Jobmotor", auch für Bayern, werden könne.
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