Deutschland und Israel: Es ist kompliziert
Köln ist überall - in Jerusalem, in Tel Aviv, an der Grenze zum Westjordanland. Attentate wie das auf die Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die kurz vor ihrer Wahl in der Domstadt niedergestochen und schwer verletzt wurde, sind in Israel seit Monaten trauriger Alltag.
Junge Palästinenser greifen wahllos jüdische Siedler, Soldaten, ja sogar Frauen und Kinder an und stechen auf sie ein, als treibe sie nur noch eines an, nämlich der pure Hass. Seit Oktober sind bei insgesamt mehr als 200 Anschlägen bereits 27 Israelis ums Leben gekommen - und mit ihnen 140 Angreifer, die von den Sicherheitskräften getötet wurden.
Die Bereitschaft, sich mit den Palästinensern auszusöhnen, ist vor dem Hintergrund solcher Ereignisse in Israel verständlicherweise gering. An Appellen, die Lage nicht noch weiter eskalieren zu lassen, hat es am Rande der Regierungskoalitionen gestern im Kanzleramt dennoch nicht gefehlt.
Die Zeiten jedoch, in denen ein deutscher Politiker wie der damalige Außenminister Joschka Fischer selbst in die Rolle des Vermittlers schlüpfte, sind lange vorbei. So geschäftsmäßig-nüchtern wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Benjamin Netanjahu miteinander umgehen, entwickelt sich auch das Verhältnis beider Länder. Die üblichen Floskeln von der besonderen Verantwortung, die Deutschland nach dem Holocaust für Israel empfinde, ändern daran nichts.
Mag das politische Tagesgeschäft auch reibungslos laufen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die neue Afrika-Initiative oder der gemeinsame Kampf gegen die Kriminalität im Internet - in den großen, existenziellen Fragen tun Deutsche und Israelis sich immer schwerer.
Dass ausgerechnet ein deutscher Außenminister den Atomvertrag mit dem Iran mit ausgehandelt und das Mullah-Regime damit international wieder hoffähig gemacht hat, ist für viele Israelis genau das Gegenteil jener so besonderen Verantwortung: In ihren Augen reicht Berlin nun einem Regime die Hand, das den Holocaust leugnet und den verhassten Judenstaat lieber heute als morgen von der Weltkarte tilgen würde.
Ein Deutschland, dessen Kanzlerin im März 2008 vor der Knesset noch gesagt hatte, Israels Sicherheit sei Teil der deutschen Staatsräson und „eine der Grundlagen unserer Außenpolitik.“
Ein Land wie Israel, das seit seiner Gründung noch keinen Tag in Frieden gelebt hat, hat ein elementares Interesse - seine eigene Sicherheit. So lange die durch den Iran selbst oder die vom Iran mit finanzierte Hamas bedroht ist, die unablässig aus dem Gaza-Streifen ihre Raketen abfeuert, wird keine israelische Regierung in Vorleistung gehen - und eine so dezidiert konservative wie die von Benjamin Netanjahu schon gar nicht.
Den Nachdruck, mit der deutsche Politiker trotzdem bei jeder Gelegenheit eine Zwei-Staaten-Lösung und einen Stopp des umstrittenen Siedlungsbaus anmahnen, wünscht er sich völlig zu Recht auch im Umgang mit den Palästinensern, die in der deutschen Debatte stets einen kleinen Bonus haben. Den Bonus der vermeintlich Unterdrückten.
Die Flüchtlingskrise verkompliziert das deutsch-israelische Verhältnis nun noch zusätzlich, weil sie den Antisemitismus von links und rechts in der Bundesrepublik um eine neue, ungleich aggressivere Variante erweitert - den muslimischen Antisemitismus.
Aus Frankreich sind nach den Anschlägen auf die Zeitschrift Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt in Paris vor einem Jahr etwa 8000 Juden nach Israel ausgewandert. In Deutschland hat es vergleichbare Anschläge bisher zum Glück zwar noch nicht gegeben, aber auch hier können Islamisten bei Demonstrationen „Juden ins Gas“ skandieren, ohne dass sie dafür zur Verantwortung gezogen werden.
- Themen:
- Benjamin Netanjahu
- Bundeskanzleramt
- Hamas