Deutschland im Visier von Standard & Poor's
Standard & Poor's zweifelt an der Kreditwürdigkeit der Eurozone. Auch Deutschland gerät ins Visier der Ratingagentur - doch Merkel und Sarkozy reagieren gelassen.
Brüssel - Standard & Poor's stellt den Großteil der Eurozone unter verschärfte Beobachtung. Die Ratingagentur kündigte am Montag eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Deutschland und Frankreich sowie weiterer 13 Staaten der Währungsunion an. Als Grund nannte die Agentur am Abend nach Börsenschluss in New York die Verschärfung der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung. Im Falle einer Neubewertung könnte den betroffenen Ländern damit eine Herabstufung drohen.
Berlin und Paris reagierten gelassen auf die Ankündigung. Man nehme die Ankündigung zur Kenntnis, erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Die von beiden Regierungen gemachten Vorschläge zur Reform der Währungsunion würden die haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Eurozone stärken und so Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern. Deutschland und Frankreich seien entschlossen, gemeinsam mit ihren europäischen Partnern und den europäischen Institutionen alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Die asiatischen Börsen reagierten am Dienstag nervös auf die Zweifel von Standard & Poor's an der Kreditwürdigkeit der Eurozone. Der japanische Leitindex Nikkei verlor ein Prozent auf 8.608,10 Punkte. Der südkoreanische Kospi ging um 1,1 Prozent auf 1.901,34 Zähler zurück und der Hang-Seng-Index in Hongkong gab um 1,6 Prozent auf 18.884,05 Punkte nach. Der australische Leitindex S&P/ASX 200 sank um ein Prozent auf 4.280,10 Zähler. Auch an den Börsen in Singapur, Taiwan und Neuseeland zeichneten sich Kursverluste ab.
Auch Staaten mit Bestnote droht Herabstufung
Dass auch die bisher mit der Bestnote „AAA“ bewerteten Länder wie Deutschland und Luxemburg eine Herabstufung fürchten müssen, setzt die europäischen Regierungen in der Schuldenkrise zusätzlich unter Druck. Die systemischen Belastungen der Euro-Staaten hätten in den vergangenen Wochen ein Ausmaß erreicht, das erheblichen Druck auf die Bonität der Eurozone als Ganze ausübe, erklärte Standard & Poor's.
Die einzigen Euro-Staaten, die am Montag nicht unter Beobachtung gestellt wurden, sind Zypern und Griechenland. Die Kreditwürdigkeit Zyperns wird bereits überprüft und die Bonität Griechenlands ist aktuell die schlechteste aller Staaten der Welt.
Zuvor hatten Merkel und Sarkozy ihre Pläne für eine Stärkung der Währungsunion vorgestellt. Sie umfassen automatische Strafen für Defizitsünder, die Schonung von Banken und das vorgezogene Aufspannen des dauerhaften Rettungsschirms ESM. Für ihren Pakt, der Vertragsänderungen erfordert, wollen beide auf dem EU-Gipfel am Ende der Woche das grüne Licht zumindest aller 17 Euro-Staaten erhalten. Der Plan werde sicherstellen, dass sich „so etwas wie jetzt nie wiederholt“, sagte Sarkozy mit Bezug auf die gegenwärtige Schuldenkrise.
Die Ratifizierung neuer Verträge würde nach Einschätzung des Verfassungsrechtlers Piotr Maciej Kaczynski vom Center for European Policy Studies in Brüssel mindestens 18 Monate dauern. „Das ist viel länger, als die Märkte zu warten bereit sind“, sagte Kaczynski.
Enger vernetzte Union könnte Druck auf wirtschaftsstarke Regionen erhöhen
Beobachter gingen davon aus, dass in einer enger vernetzten Union größere finanzielle Belastungen auf die wirtschaftsstarken Staaten Europas zukommen würden. Standard & Poor's zeigte sich zudem skeptisch, ob die Euro-Staaten sich tatsächlich auf weitere Maßnahmen zur Beilegung der Schuldenkrise einigen können. Die Ratingagentur registrierte „anhaltende Meinungsverschiedenheiten unter europäischen Politikern, wie der Krise begegnet werden soll“. Außerdem bestehe keine Einigkeit darüber, „wie langfristig mehr ökonomische, finanzielle und steuerliche Konvergenz unter den Mitgliedern der Eurozone hergestellt werden kann“, hieß es in der Beurteilung von Standard & Poor's.
Als weiteren Grund für die Überprüfung der Bonität der Euro-Staaten nannte Standard & Poor's ein erhöhtes Rezessionsrisiko. Analysten bemängelten zudem, dass noch immer keine Pläne vorlägen, wie weiteres Wirtschaftswachstum in der Eurozone generiert werden könne und auf welche Art und Weise die öffentlichen Ausgaben auf lange Sicht reduziert werden sollen. „Wenn das alles ist, sind das wirklich schlechte Nachrichten für die Zukunft des Euros“, sagte der Chefökonom des Londoner Forschungsinstituts Centre for European Reform, Simon Tilford, zu den Plänen von Merkel und Sarkozy.
Experten stellten auch die Fähigkeit der Eurozone infrage, eine laxe Ausgabenpolitik ihre Mitglieder künftig zu unterbinden „Wenn du es nur entschieden und häufig genug sagt, glauben es die Leute vielleicht“, sagte Guy LeBas vom Finanzdienstleiter Janney Montgomery Scott. „Im Moment aber glauben die Märkte 'Merkozy' nach meiner Einschätzung noch nicht.“
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