Deutscher Presserat bespricht Pressekodex
München - Zweieinhalb Stunden dauerte die Diskussion: Der Deutsche Presserat hat sich gestern der Frage gewidmet, wann Medien Angaben zur Herkunft oder Religion von Straftätern machen dürfen. Die Debatte über die Richtlinie 12.1 im Pressekodex stand auf der Tagesordnung einer nicht-öffentlichen Plenumssitzung in Berlin.
Die Richtlinie empfiehlt, dass ein „begründeter Sachbezug“ zur Straftat bestehen muss, wenn Journalisten erwähnen, dass der Täter oder Verdächtige einer religiösen, ethnischen oder anderen Minderheit angehört. In vielen Redaktionen ist die Richtlinie umstritten. Die Kritik daran wurde zuletzt schärfer, insbesondere im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die zahlreichen Straftaten in der Silvesternacht in Köln.
„Ich halte die Formulierung für tragfähig“
Die Richtlinie lasse Informationen zur ethnischen Zugehörigkeit oder Religion im Zusammenhang mit Straftaten durchaus zu, argumentierte Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserates. „Aber wenn in einem Achtzeiler bei Verdacht einer Straftat die Rede von einem ägyptischen Asylbewerber ist, ist das aus unserer Sicht ein diskriminierender Vorgang.“
Nach Einschätzung der „Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch geht es immer um eine Einzelfall-Entscheidung. Die Richtlinie 12.1 schränke Journalisten aber unzulässig ein und bevormunde die Leser.
Christian Lindner, Chefredakteur der in Koblenz erscheinenden „Rhein-Zeitung“, kritisierte die Formulierung der Richtlinie als aus der Zeit gefallen. „Ich will eine Neuformulierung, die Medien aus der Ecke des Verdachts rausholt, Informationen aus politischen Gründen verschweigen zu wollen“, sagte er.
AZ-Kommentar: Nationalität von Tätern nennen?
Anders sieht das Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV): „Ich halte die Formulierung für tragfähig und sehe nicht, dass sie im Wortlaut geändert werden müsste.“ Wenn es einen Zusammenhang zwischen Nationalität und Straftat gibt, könne es gerechtfertigt sein, Angaben zur Herkunft des Täters zu machen. „Aber wenn es keine Relevanz hat, hat es in der Berichterstattung auch nichts zu suchen.“
Am Ende entschied sich der Presserat für die Beibehaltung der bisherigen Regel. Die überwiegende Mehrheit des 28-köpfigen Gremiums habe für die unveränderte Beibehaltung gestimmt, teilte Presserat-Geschäftsführer Lutz Tillmanns mit. „Es gab nur eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen.“ Die Ziffer stelle kein Sprachverbot für die Presse dar, begründete Tillmanns die Entscheidung des Plenums.
Nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht registrierte der Presserat zahlreiche Beschwerden. Kritik gab es sowohl für die Nennung der Nationalitäten der mutmaßlichen Täter wie auch für das Nicht-Erwähnen.
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- Christian Lindner