Der nächste Streik, bitte!

Wieder einmal streiken in Bayern Ärzte – und wieder sind die Patienten die Leidtragenden. Heute wollen die meisten der 12200 Fachärzte ihre Praxen schließen. Mediziner wie Augenärzte, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Hautärzte fordern mehr Geld. Die AZ erklärt, warum der Streik vor allem die Patienten trifft.
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Der Münchner HNO-Arzt Udo Beimert sperrt an diesem Dienstag zu.
Martha Schlüter Der Münchner HNO-Arzt Udo Beimert sperrt an diesem Dienstag zu.

Wieder einmal streiken in Bayern Ärzte – und wieder sind die Patienten die Leidtragenden. Heute wollen die meisten der 12200 Fachärzte ihre Praxen schließen. Mediziner wie Augenärzte, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Hautärzte fordern mehr Geld. Die AZ erklärt, warum der Streik vor allem die Patienten trifft.

Warum streiken die Fachärzte? Der Protest richtet sich gegen die neuen Honorarregelungen: „Ein Frauenarzt bekommt 5,50 Euro pro Patient und Monat, ein Augenarzt sieben Euro. Manche Ärzte haben Umsatzeinbußen von 20 Prozent. Das können wir nicht mehr hinnehmen“, sagt der Landesvorsitzende der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände, Thomas Scharmann, zur AZ.

Was können Patienten tun, die dringend auf Behandlung angewiesen sind? „Wir lassen unsere Patienten nicht im Stich“, sagt Scharmann. Ausgemachte Termine sollen verschoben werden – ohne lange Wartezeit auf den neuen Termin. Ob das für alle Mediziner gilt, ist fraglich: Teilweise müssen Kassenpatienten bei Augenärzten schon ohne Streik bis zu ein halbes Jahr auf einen Termin warten. Die Mediziner hätten Notfalldienste eingerichtet, sagt Scharmann. Mit Aushängen an den Praxen und Hinweisen auf dem Anrufbeantworter sollen Patienten in Notfall-Praxen umgeleitet werden. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern gibt es eine Hotline für Betroffene. Die Nummer: 01805/191212.

Wie werden Fachärzte bezahlt? Das System war kompliziert – seit der Honorarreform ist es das erst recht. Früher stand für Bayerns Ärzte pro Quartal ein bestimmter Betrag zur Verfügung. Die Ärzte sammelten pro Leistung Punkte, diese wurden nach Ende des Quartals in Geld umgerechnet. Seit der Honorarreform ist das Punktesystem abgeschafft. Jetzt errechnet sich das Gehalt aus der Zahl der Patienten. Je nach Arztgruppe gibt es pro Patient einen fixen Betrag: Frauenärzte bekommen 16 Euro pro Patient und Quartal, Augenärzte 21 Euro. Der Patient kann so häufig kommen wie er will. Das gefällt den Ärzten gar nicht. Ihr Gehalt steigt mit der Zahl der Patienten. Aber sie können noch freie Leistungen wie Akkupunktur, Hautkrebs-Behandlung in Rechnung stellen.

Was kritisieren die Ärzte? Sie finden den Pauschalbetrag viel zu niedrig und regen sich auf, dass der Satz in Berlin festgelegt wird und nicht in Bayern. „Wenn die Politiker die Staatsmedizin wollen, müssen sie das sagen“, sagt Facharzt-Funktionär Scharmann. Er befürchtet, dass es bald kaum noch freie Ärzte gibt. Patienten müssten weite Wege zu Medizin-Zentren zurücklegen und lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Außerdem gibt es Unmut, weil der Staat Extra-Leistungen aus dem Katalog gestrichen hat.

Was sagen Patienten-Vertreter? Peter Friemelt von der Münchner Patientenstelle kritisiert, dass die Ärzte ihr Gehalt klein rechnen. „Wenn sie sagen, dass sie für den Preis eines Haarschnitts behandeln, ist das nur die halbe Wahrheit. Die Ärzte können zusätzlich viele Leistungen abrechnen. Es wird auch Ärzte geben, die durch die Reform gewinnen.“ Im Vergleich zu ihren Patienten seien Mediziner reich. Friemelt sagt: „Der Patient hat die Situation nicht verursacht. Im Gegenteil: Er zahlt höhere Kassenbeiträge. Und jetzt bezahlt er auch noch für diesen Streik.“

Volker ter Haseborg

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