Der Diktator und die sieben Söhne

Gaddafi hat  Sinn für Familie. Der Nachwuchs hilft beim Machterhalt
von  Beatrice Oßberger

TRIPOLIS Wenn Muammar al-Gaddafi zu Staatsbesuchen anreist, dann ist das immer wie im Zirkus. Es gibt schöne Frauen, schöne Kleider und ein Zelt. Das lässt er gerne mal im Garten libyscher Botschaften, oder auch in öffentlichen Parks aufschlagen. Dort residiert er dann, beschützt von strammen Leibwächterinnen, umsorgt von emsigen Köchen, Ärzten und einer blonden, vollbusigen, ukrainischen Krankenschwester, ohne die er erst gar nicht auf Reisen gehen würde. Im vergangenen Jahr, bei seinem Besuch in Rom, ließ er 30 reinrassige Berberpferde miteinfliegen – um die Freundschaft zu Italien standesgemäß feiern zu können.


Die Auftritte des selbsternannten Revolutionsführers im Ausland sind so bizarr wie seine bunten Fantasie-Kostüme, die er sich schneidern lässt. Krönchen im Haar trägt er auch.
Eigenheiten, die den 68-Jährigen harmloser wirken lassen als er in Wirklichkeit ist. Denn wenn es um seinen Machterhalt geht, ist Muammar al-Gaddafi hellsichtig und von brutalem Realismus.
Seit 42 Jahren regiert Muammar al-Gaddafi in Libyen – länger als jeder andere arabische Herrscher. 1969 stürzte der Soldat mit Hilfe der Armee König Idris und übernahm als Führer der Militärjunta die Macht. Anschließend ernannte er sich zum Oberst, verstaatlichte alle ausländischen Erdölfirmen und Banken, und formte in der Folgezeit das Königreich in einen sozialistischen Staat auf Grundlage des Islam um. Geldsorgen hat er nicht – dank der reichen Erdöl- und Gasvorkommen des Landes.

Innenpolitisch stützt Gaddafi seine Macht auf mehrere Pfeiler. Auf die Armee, auf die Volkskommitees, auf die skrupellose Geheimpolizei. Doch vor allem stützt sich Gaddafi auf seine Familie. Sieben leibliche Söhne hat er – und sie alle sind mehr in seinen Machtapparat eingebunden. Sie besetzen Schlüsselposition in der Wirtschaft, beim Militär und der Polizei, und im Sicherheitsrat. Der älteste Sohn Muammar kontrolliert als Vorstandschef von Post und Telefongesellschaft die Kommunikation des Landes. Sohn Chamies befehligt die Elite-Einheit der libyschen Armee, Sohn Mutassim ist Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Sohn Hannibal ist im Erdölgeschäft tätig und Sohn Saadi betreibt die heimische Fußball-Liga, spielte selbst aber bei einigen italienischen Clubs. 2003 wurde er des Dopings überführt.

Sohn Hannibal wurde mehrfach verhaftet

Er ist nicht der einzige Gaddafi-Sohn, der im Ausland bekannt ist. Sohn Hannibal wurde bereits mehrfach verhaftet – weil er Polizistinnen mit einem Feuerlöscher angriff, weil er auf der Champs d’Elysées betrunken als Geisterfahrer unterwegs war, weil er seine Freundin krankenhausreif schlug und Mitarbeiter misshandelte.


Auch sein Bruder Saif al-Arab, der viele Jahre in München lebte, kam mit dem Gesetz öfter in Konflikt. Gegen ihn wurde ermittelt wegen Prügeleien mit Türstehern, Anstiftung zur Körperverletzung und sogar Waffenschmuggel. Vor Gericht musste Saif al-Arab jedoch nie, alle Ermittlungen wurden eingestellt. Jetzt dient Saif al-Arab seinem Vater bei der Polizei.


Der für Gaddafi in dieser Situation jedoch wichtigste Sohn ist der zweitgeborene. Saif al-Islam ist schon lange Gaddafis diplomatischer Vermittler. Als der Potentat, nachdem er jahrzehntelang Terrorgruppen unterstützt hatte, das „Schurkenstaat”-Image loswerden wollte, und den Anschluss an den Westen suchte, schickte er Saif ins Ausland, um für Libyen zu werben.


Saif ist das freundliche Gesicht für den Westen, der zuhause auch mal die Politik seines Vaters kritisieren darf. Das macht ihm beim Volk beliebt, von allen Söhnen Gaddafis genießt er das meiste Vertrauen. Und so geschieht es nicht von ungefähr, dass Gaddafi jetzt Saif vor die Kameras schickt, um vor „Bürgerkrieg” zu warnen und Reformen zu versprechen.

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