Das Ende des Transrapids
Die Kosten sind doppelt so hoch wie geplant: Günther Beckstein stoppt den Stoiber-Express endgültig. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen.
MÜNCHEN Die Stimmung war gelöst, an jenem Abend im September 2007 in der Staatskanzlei. Edmund Stoiber, damals noch Ministerpräsident, ließ Champagner auffahren. Per Vertrag vereinbarte der scheidende Bayern-Regent mit sechs Topmanagern: Der Transrapid kommt. „Niemand wird diesen Schritt noch rückgängig machen“, jubelte er.
Weit gefehlt: Gestern, 13.45 Uhr, gleicher Ort, Jammer-Stimmung. Der Ministerpräsident heißt jetzt Günther Beckstein, und der verkündet mit betonter Betroffenheit: „Heute ist ein schlechter Tag für den High-Tech-Standort Deutschland.“ Der Transrapid ist vom Tisch. Am Morgen hatte er sich mit Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Siemens-Chef Peter Löscher und anderen Managern des Transrapid-Konsortiums (Thyssen-Krupp, Hochtief, Max Bögl, Bilfinger Berger) in Berlin getroffen. Erkenntnis: Der Transrapid wird doppelt so teuer wie geplant. Weder der Bund noch das Land Bayern sind bereit, mehr Geld zu geben. Jetzt weisen sich Politik und Wirtschaft gegenseitig die Schuld für das Desaster zu. Die AZ beantwortet wichtige Fragen.
Warum wird der Transrapid nicht gebaut?
Weil die Baukosten explodiert sind. Bislang beriefen sich alle Beteiligten auf eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2002: Demnach sollte der Transrapid 1,85 Milliarden Euro kosten. Jetzt rechneten die Unternehmen nach. Ergebnis: Der Transrapid kostet über 3,4 Milliarden! Der Bund will höchstens 925 Millionen, Bayern 500 Millionen zahlen.
Warum sind die Kosten gestiegen?
Zum einen, weil es Korrekturen an den Bauplänen gab: Von längeren Tunnels und stärkerem Schallschutz ist die Rede. Hinzu kommen die hohen Preise für Baustoffe wie Kupfer, Stahl und Zement.
Warum kommt das jetzt erst ans Tageslicht?
Das ist nicht überraschend: Im September hatte Stoiber mit den Firmen vereinbart, dass alle Kosten binnen sechs Monaten aufgestellt sein sollen.
Wer steht jetzt dumm da?
Edmund Stoiber: Der Transrapid sollte sein Denkmal werden. Doch auch CSU-Chef Erwin Huber ist beschädigt: Er musste Stoiber bei den Verhandlungen mit den Bossen als damaliger Wirtschaftsminister assistieren. Damals jubelte Huber: Das ist die Nachricht des Jahrzehnts!“ Auch die Wirtschaft ist wegen der Fehl-Kalkulation blamiert.
Und Beckstein?
Sicher ist es nicht gut für ihn, dass seine Regierung nach Kommunalwahlen und Rauchverbot jetzt noch einen Patzer hinlegt. Allerdings hatte er die Kostenfalle Transrapid schon vor Amtsantritt erkannt und betont, dass für ihn der Festpreis gilt. Außerdem hatte ihm Stoiber den Transrapid als Erbe aufgezwungen.
Welche Schuld trifft die deutsche Wirtschaft?
Beckstein kritisiert, er sei von der neuen Kostenschätzung „enttäuscht“: Noch vor sechs Monaten hätten die Manager gesagt, dass die Kostenziele „erreichbar“ seien. Die Wirtschaft hingegen will nichts vom Festpreis wissen. „Wir haben jetzt erstmals einen Überblick über die Kostensituation“, sagte ein Unternehmenssprecher von Hochtief. An der alten Kostenschätzung sei man nicht beteiligt gewesen. Siemens-Chef Peter Löscher will auch künftig in die Schwebe-Technologie investieren – nur nicht in Deutschland. Es gebe Interessenten aus Katar und den USA. Bahnchef Hartmut Mehdorn ist traurig: „Der Standort Deutschland hat damit ein wichtiges Leuchtturmprojekt verloren“, sagte er.
Was macht Beckstein jetzt mit dem Transrapid-Geld?
Die Bundesmittel sind weg. Die 490 Millionen Euro aus Bayern sollen für andere Hochtechnologieprojekte im Freistaat eingesetzt werden. V. ter Haseborg