«Clinton sollte jetzt aufgeben»
Die europäischen Zeitungen läuten die Totenglocke für die Präsidentschafts- Kandidatur der ehemaligen First Lady. Ihre Weigerung, nun endlich das Rennen zu beenden, stößt fast überall auf Unverständnis.
El Mundo, Madrid: «Reiner Egoismus»
«In dem endlosen Duell bei den US-Demokraten beginnt der Nebel sich zu lichten. Barack Obama hat einen entscheidenden Schritt in Richtung auf das Weiße Haus getan. Hillary Clinton hat keine Pfeile mehr im Köcher. Man versteht es immer weniger, dass die frühere First Lady das Rennen nicht aufgibt. Der Kandidat der Republikaner, John McCain, reibt sich angesichts des Zweikampfs bei den Demokraten die Hände. Hillary Clintons Ehrgeiz wird zunehmend zu einem reinen Egoismus, der die Chancen der Demokraten auf einen Wahlsieg trübt.»
Libération, Paris: «Totengräberin von Obama»
«Clintons demonstrativer Populismus der vergangenen Wochen - vor allem ihr Vorschlag, die Benzinsteuer für drei Monate auszusetzen - hat bei den Wählern nicht verfangen. Weder ihre kämpferische Rhetorik noch ihre Entschlossenheit, das Rennen fortzusetzen, überzeugen die amerikanischen Kommentatoren nach Clintons kleinem Sieg in Indiana und ihrer großen Niederlage in North Carolina. Die meisten Leitartikel klingen wie Nachrufe. Die einzige noch wichtige Frage bleibt, ob die ehemalige First Lady nach einem sicheren Sieg bei der nächsten Vorwahl in West Virginia erhobenen Hauptes abtritt oder ob sie zur Totengräberin der Kandidatur von Obama wird, indem sie sich weiterhin an den Konvent in Denver klammert.»
Der Tages-Anzeiger, Zürich: «Sie verkörpert nicht die Hoffnung»
«Clinton kann die Hoffnung praktisch begraben, zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gekürt zu werden. Noch ist es nicht zu spät, Obama zum Hoffnungsträger aller Demokraten zu machen - und vieler Amerikaner jenseits der Parteigrenzen. Nach acht Jahren Finsternis mit Krieg und Folter wünschen sie sich, dass jemand die Hoffnung nach Washington zurückbringt. Das kann am ehesten Obama: Er, und nicht Clinton, verkörpert jene amerikanischen Visionen, welche in den Bush-Jahren in Vergessenheit gerieten.»
The Times, London: «Eine Kämpferin, aber keine Siegerin»
«Clinton sollte jetzt aufgeben. Sie hat sich als Kämpferin, jedoch nicht als Siegerin hervorgetan. Im vergangenen Jahr begannen die Amerikaner sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, erstmals eine Frau im Präsidentenamt zu haben. Das könnte sie immer noch werden, doch nur, wenn sie sich rechtzeitig zurückzieht, um den Schaden für ihre Partei zu begrenzen. Sie kann wieder 2012 antreten, dann wird sie erst 64 Jahre jung sein. In diesem Jahr wird es wahrscheinlich ein Duell zwischen einem Vietnam-Kriegshelden und einem Afro-Amerikaner geben, der jung genug ist, um dessen Sohn sein zu können. Obama ist nicht der erste Kandidat, der Veränderung verspricht, doch er ist der erste, der sie so deutlich verkörpert.»
Il Corriere della Sera, Turin: «Schmerzlose Lösung gesucht»
«Hillary hat das Recht auf ein weiteres Spiel erobert. Falls sie im Spiel bleibt und nicht dem Druck nachgibt, der bereits auf sie einwirkt, könnte sie sogar noch einige Vorwahlen für sich entscheiden, wie etwa in West Virginia oder Kentucky. Aber sie hat es nicht geschafft, das Spiel noch einmal herumzureißen. Eine Lösung wird gefunden werden, und es wird sich wahrscheinlich um die schmerzloseste und neutralste Möglichkeit handeln. Keiner würde sich wohl trauen, ihr am Tisch den Sieg zu schenken und sich damit gegen die Millionen von Wählern zu wenden - vor allem junge Menschen und Afroamerikaner, die für Obama gestimmt haben.» (nz/dpa)