Christian Wulff und die Männerfreundschaft

Christian Wulff gibt sich unverkrampft, fast locker. Eineinhalb Jahre nach seinem Rücktritt als Bundespräsident stehen er und ein befreundeter Filmproduzent vor Gericht. Es geht um Bestechung.
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Christian Wulff beim Prozessauftakt in Hannover.
dpa Christian Wulff beim Prozessauftakt in Hannover.

Hannover – Wolfgang Böhm ist um 7 Uhr morgens der erste in der Schlange vor dem Landgericht Hannover. Christian Wulff will er sehen, den Mann, der sich seit Donnerstag als erster Ex-Bundespräsident in einem Korruptionsprozess vor Gericht verantworten muss. Böhm ist ein Prozesstourist, bei Susanne Klatten war er, bei Jörg Kachelmann auch, er ist extra aus der Nähe von Darmstadt angereist. „Wulff ist ein sehr ehrenwerter Mann. Warum tut er sich diesen Prozess an?“ fragt Böhm. „719,40 Euro, das ist ja eine eher lächerliche Summe, um die es geht.“

Lesen Sie hier: 1. Verhandlungstag: Wulff weist Vorwürfe zurück

Es ist ein historisch einmaliges Verfahren, das an diesem sonnigen Novembertag in Hannover beginnt. Noch nie wurde einem ehemaligen Bundespräsidenten in Deutschland der Prozess gemacht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft verhielt sich Wulff als Ministerpräsident in Niedersachsen korrupt. Vieles wurde untersucht, doch zur Anklage kam letztlich nur eine Einladung zu einem Oktoberfestbesuch nach München.

Filmproduzent David Groenewold soll Wulff und seiner Frau 2008 einen Teil der Hotelkosten im „Bayerischen Hof“ bezahlt haben, es geht um eine Summe von insgesamt 719,40 Euro. Wulff soll davon erst Jahre später etwas mitgekommen haben, sagen seine Verteidiger. Doch schon einen Tag nach München bat der Filmunternehmer seinen Freund, bei Siemens für ein Projekt um Unterstützung zu bitten. Das tat Wulff etwa zweieinhalb Monate später bei Siemens-Chef Löscher, so die Erkenntnisse der Staatsanwälte, die Wulff deshalb für korrupt halten - der Vorwurf lautet auf Vorteilsannahme.

Ein riesiger Medientross hat sich schon einen Tag vor dem Prozessbeginn vor dem Gericht aufgebaut. Am Donnerstag, kurz vor zehn Uhr kommt Wulff, begleitet von seinen Anwälten. Er geht durch den Haupteingang. Ein kurzes Statement in die Kameras: „Dies ist sicher kein einfacher Tag“, sagt er. Und dass er sich immer korrekt verhalten habe ihm Amt.

Lesen Sie hier: Wulff-Prozess hat begonnen - Noch keine Anklage verlesen

Erster Stock, Saal 127: Minutenlang erträgt Wulff dort lächelnd das Blitzlichtgewitter, plaudert mit seinen Verteidigern, erläutert den Journalisten sogar seinen Anstecker am Revers, das Bundesverdienstkreuz sei das. Fast schaut es aus, als habe Wulff etwas Spaß an der Situation. Nur ganz kurz unterhält er sich mit seinem Mitangeklagten Groenewold. Kein Schulterklopfen, keine Vertraulichkeiten tauschen die beiden Männer aus. Später wird Wulff seine Freundschaft zu Groenewold ausführlich würdigen.

Um 10.10 Uhr eröffnet Richter Frank Rosenow das Verfahren, fragt zunächst die Personalien der beiden Angeklagten ab, versucht einen Scherz mit Wulff zu machen. Bei seiner Adresse in Hannover komme die Post öfter zurück, was man denn da machen könne? Das will Wulff nur unter vier Augen erläutern. Auch die Nachfrage nach dem Familienstand des Angeklagten ist in einem Prozess Standard. „Noch verheiratet?“, fragt Richter Rosenow. „Verheiratet“, sagt Wulff.

Keine Viertelstunde später ist das Verfahren schon das erste Mal unterbrochen, zur Verlesung der Anklage ist es da noch nicht gekommen. Groenewold-Verteidiger Friedrich Schultehinrichs rügt, es seien zu viele Gerichtsplätze für Journalisten vorgehalten worden, somit sei für das Verfahren keine richtige Öffentlichkeit hergestellt worden. Allein: Der Besucheransturm hält sich in engen Grenzen, auf den Zuhörerbänken sind durchaus noch Stühle frei.

Um 11.45 Uhr ergreift Wulff dann das Wort. „David Groenewold ist mein Freund“, betont er. „Wir haben Spaß miteinander.“ 2005, in einer für ihn schwierigen Lebensphase während der Trennung von seiner ersten Frau, sei Groenewold ihm sehr nah gewesen. „Er war in diesem Moment ein ganz wichtiger Lebensbegleiter.“ Bei der Hochzeit mit seiner zweiten Frau Bettina habe Groenewold die Ansprache gehalten. Und er habe auch immer wieder bei ihm daheim übernachtet – „natürlich ohne zu bezahlen“, betont Wulff.

Lesen Sie hier: Wulff: "Ich liebe meine Frau immer noch"

 

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