Brexit-Entscheidung: Die Folgen für Deutsche
München/London - Sobald Großbritannien die EU verlässt, werden das auch die Menschen in Deutschland zu spüren bekommen. Besonders für Touristen und Studenten dürfte sich bei Aufenthalten auf den Inseln so manches ändern. Anleger spüren die Auswirkungen des Brexits schon jetzt.
Eine Übersicht zu Folgen der EU-Austrittsentscheidung für Anleger und Verbraucher:
Geldanlage
Die Verwerfungen an den Finanzmärkten sind entsprechend gewaltig. Der Dax fiel um rund sechs Prozent. Zwischenzeitlich hatte der deutsche Leitindex sogar zehn Prozent verloren. Der Eurostoxx 50 gab am Ende rund acht Prozent nach. Damit erleben Europas Börsen die größten Verluste seit der schweren Wirtschaftskrise 2008/2009.
Auch abseits des Aktienmarktes sorgte das Brexit-Votum für extreme Verwerfungen: Während das Pfund einbrach auf den tiefsten Stand seit 1985, war vor allem der japanische Yen als Fluchtwährung gesucht. Auch Gold und Anleihen waren als sichere Häfen gefragt. Führende Notenbanken wollen sich gegen Turbulenzen an den Finanzmärkten stemmen. Der britische Notenbankchef Mark Carney stellte 250 Milliarden Pfund zur Stützung der Märkte in Aussicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) betonte ihre Handlungsbereitschaft.
Die schweren Kursschwankungen nach dem Votum für den Brexit sollten Anleger nicht zu überstürztem Handeln veranlassen. Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rät zu Gelassenheit: Er rechne zwar auch in den kommenden Tagen mit „mittleren Börsenbeben“. Langfristig sollten die Auswirkungen des Brexits für Anleger aber gering ausfallen, erwartet Kurz. Zudem böten Kursrückgänge die Chance, Aktien guter Unternehmen relativ billig nachzukaufen.
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Einreise & Aufenthalt
Muss ich am Flughafen in London künftig meinen Pass zeigen? Die Briten sind heute schon kein Mitglied des Schengener Abkommens. Also gelten bei der Einreise ohnehin strengere Kontrollen. Urlauber müssen wenigstens ihren Personalausweis vorzeigen. Ob künftig der Pass erforderlich wird, muss sich noch zeigen. Grundsätzlich könnte es laufen wie in der Schweiz. Dort dürfen sich EU-Bürger bis zu 90 Tage lang visumsfrei aufhalten.
Urlaub in London oder in Cornwall dürfte aber günstiger werden, weil das britische Pfund im Wert gefallen ist.
Fluggastrechte
EU-Verordnungen sprechen Reisenden zum Beispiel bei der Verspätung oder Annullierung eines Fluges eine Entschädigung zu. Möglich ist, dass Großbritannien solche Regelungen weiterhin einhält.
Laut Bernd Krieger, Leiter des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz Deutschland, garantieren zum Beispiel auch Island und Norwegen die gleichen Fahrgastrechte wie EU-Länder, denn sie gehören dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) an.
Ansprüche hat man aber nur, wenn man von einem Flughafen in der EU abfliegt oder mit einer EU-Fluglinie in einem Mitgliedsland ankommt.
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Krankenversicherung
Für deutsche Touristen, die in Großbritannien erkranken, ändert sich bis zum tatsächlichen Austritt der Briten aus der EU nichts. So lange übernehmen die Krankenkassen weiterhin die Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen. Voraussetzung ist, dass der Reisende sich einen Arzt sucht, der für den National Health Service (NHS) arbeitet.
Für privat Krankenversicherte gilt: Bei vorübergehenden Aufenthalten macht es keinen Unterschied, ob Großbritannien zur EU gehört oder nicht.
Studienaufenthalte
Der Brexit macht ein Studium für Deutsche in Großbritannien möglicherweise deutlich teurer. Wer nicht mit dem Erasmus-Programm kommt, zahlt als EU-Bürger bislang die „home fees“. Menschen aus Ländern außerhalb der EU müssen dagegen „overseas fees“ berappen, die deutlich höher sind. Nach einem Brexit könnten für Deutsche und andere EU-Bürger diese höheren Sätze fällig werden.
Wer mit dem Erasmus-Programm nach Großbritannien kommt, muss derzeit keine Studiengebühren aufbringen. Auch das könnte sich ändern, aber auch das muss nicht sein. Erasmus ist nicht an die EU-Mitgliedschaft gekoppelt.
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Roaming
Sobald Großbritannien kein EU-Mitglied mehr ist, könnten auf Reisende höhere Mobilfunkkosten zukommen. Innerhalb der EU sollen 2017 zwar die Roaming-Kosten komplett entfallen. Für Großbritannien müssen Anbieter diese Vorgabe aber theoretisch nicht umsetzen, sagt Thorsten Neuhetzki vom Telekommunikationsportal „Teltarif.de“. „Unterm Strich könnte das Telefonieren und Surfen für Mobilfunkkunden in Großbritannien nach dem Brexit teurer werden.“