Birma: Verwüstungen schlimmer als nach Tsunami

Die Lage in Birma ist nach wie vor katastrophal. Hilfsorganisationen warnen vor dem Ausbruch von Seuchen, die Millionen Menschen gefährden könnten. Nur wenigen ausländischen Helfern wird die Einreise gestattet.
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Ein 350 Kilometer langer Küstenstreifen ist betroffen
ap Ein 350 Kilometer langer Küstenstreifen ist betroffen

Die Lage in Birma ist nach wie vor katastrophal. Hilfsorganisationen warnen vor dem Ausbruch von Seuchen, die Millionen Menschen gefährden könnten. Nur wenigen ausländischen Helfern wird die Einreise gestattet.

Die Zerstörungen des Zyklons «Nargis» in Birma sind nach Einschätzung des Technischen Hilfswerks (THW) weit schlimmer als die des Tsunami im Dezember 2004. Wegen der Ausdehnung der Schäden auf eine Breite von etwa 350 Kilometer und bis zu 50 Kilometer ins Landesinnere sei mit einem sehr komplexen humanitären Soforthilfeeinsatz zu rechnen, erklärte das THW am Sonntag.

Notwendig sei deshalb eine umfangreiche Hintergrundlogistik, um neben der medizinischen Versorgung der Opfer und der Verpflegung der Einsatzkräfte auch die Treibstoffversorgung und Instandhaltung der Fahrzeuge sicherzustellen. Die Logistik des THW werde auch anderen Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt. In der Zentrale für Auslandslogistik in Rüsselsheim bei Frankfurt am Main werden derzeit weitere technische Ausstattung, Material, Gerät und Fahrzeuge zusammengezogen, um sofort nach Birma aufbrechen zu können. Zudem würden Infrastrukturteams zur Instandsetzung und Entwässerung von Gebäuden sowie der Stromversorgung aufgestellt, erklärte das Hilfswerk. Außerdem werde ein Team von 50 Infrastrukturspezialisten aufgestellt. Bislang befindet sich im Auftrag der Bundesregierung allerdings nur ein THW-Logistikexperte zur Unterstützung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) in Rangun.

Mangel an Trinkwasser

Nach Einschätzung der Hilfsorganisation Oxfam gefährden der akute Mangel an Trinkwasser und fehlende Hygiene nach dem Zyklon «Nargis» das Leben von bis zu 1,5 Millionen Menschen in Birma. Es drohe eine Choleraepidemie. Das Technische Hilfswerk (THW) hält das Ausmaß der Zerstörung für weitaus schlimmer als nach dem Tsunami im Dezember 2004. Deutschland und Thailand forderten die Militärregierung auf, schnell ausländische Helfer einreisen zu lassen.

Es seien «alle Faktoren» für eine Folgekatastrophe gegeben, warnte die Regionaldirektorin von Oxfam, Sarah Ireland, am Sonntag in Thailand. «Es ist lebensnotwendig, dass die Leute Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen erhalten», sagte Ireland. UNICEF zufolge sind in einigen Gebieten bis zu 20 Prozent der Kinder an Durchfall erkrankt. Das Hilfswerk World Vision sprach von einem «Wettlauf gegen die Zeit». Die bisher in Birma eingetroffene Unterstützung sei nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Weitere Hilfsgüter eingetroffen

Nach Angaben der Vereinten Nationen erreichten am Sonntag weitere Hilfsgüter die Überlebenden des Sturms, nachdem Straßen von Trümmern und umgestürzten Bäumen geräumt wurden. Rotes Kreuz und Roter Halbmond berichteten, drei ihrer Flugzeuge hätten 14 Tonnen Hilfsgüter nach Birma gebracht. Am Montag sollten weitere Maschinen mit 20 Tonnen Material landen, darunter Benzinkanister und Moskitonetze. Nach wie vor lässt die Junta aber nur vereinzelt katastrophenerprobte ausländische Experten einreisen. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) beantragte Visa für 16 Mitarbeiter, nur eines wurde genehmigt. World Vision erging es nach eigenen Angaben ähnlich: Von 20 Einreiseanträgen kamen lediglich zwei durch.

Millionen Menschen betroffem

UN-Schätzungen zufolge sind zwei Millionen Menschen unmittelbar von den Folgen des verheerenden Wirbelsturms betroffen, der am Samstag vor einer Woche über Birma hinweggerast war. Viele Überlebende warten seitdem verzweifelt auf Hilfe. Leichen und Tierkadaver treiben im Wasser, das dadurch verseucht ist, wie Oxfam-Direktorin Ireland sagte. Stehendes Wasser sei außerdem eine ideale Brutstätte für Moskitos, die dann wiederum Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber übertragen könnten. Die WHO stufte das Gesundheitssystem Birmas im Jahr 2000 als das zweitschlechteste weltweit ein. Nach Angaben eines im vergangenen Jahr veröffentlichten Berichts investiert die Junta nur rund drei Prozent des jährlichen Budgets in das Gesundheitssystems, während 40 Prozent Ausgaben dem Militär zugute kommen. Die birmanische Regierung beharrt nach wie vor darauf, die Hilfsgüter weitgehend selbst zu verteilen. Es gab Berichte, dass auf die Kisten die Namen führender Generäle geschrieben wurden - ein offenkundiger Versuch, aus der internationalen Unterstützung propagandistisches Kapital zu schlagen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach am Sonntag telefonisch mit seinem thailändischen Amtskollegen Nopadol Pattama über die kritische Lage in Birma. Internationale Hilfe sei dringlich und dulde keinen Aufschub mehr, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin danach.

Offizielle Opferzahl auf 28.400 erhöht

Die Behörden in Birma sprechen inzwischen von mehr als 28.400 Toten. Das sind rund 5.000 mehr als bislang angegeben. 33.400 Menschen würden noch vermisst, berichtete das staatliche Fernsehen am Sonntag. Einen herben Rückschlag erlitten die allmählich anlaufenden Hilfslieferungen am Sonntag: Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und Roten Halbmond (IKRK) teilte mit, ein Boot mit Hilfsgütern für 1.000 Menschen an Bord sei auf dem Weg von Rangun ins Irrawaddy-Delta mit einem Baumstamm zusammengestoßen und gesunken. Die Besatzung habe sich retten können. (AP)

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