Berlusconi setzt Staatspräsident unter Druck

Bei seinem Treffen mit Staatspräsident Napolitano hat der italienische Oppositionsführer Berlusconi erneut Neuwahlen verlangt. Napolitano aber bevorzugt eine Übergangsregierung.
Der italienische Oppositionsführer Silvio Berlusconi bleibt hart und verlangt «schnellstmögliche» Neuwahlen zur Lösung der Regierungskrise in Rom. «Es gibt keinen anderen Weg», sagte der 71-jährige frühere Regierungschef am Dienstag dem Staatspräsidenten Giorgio Napolitano.
Wie seine wichtigsten Bündnispartner wandte sich Berlusconi damit strikt gegen die Bildung einer Übergangsregierung. Erst am Montag hat Berlusconi mit Massenprotesten gedroht, sollten keine Neuwahlen angesetzt werden. Millionen seien bereit, «nach Rom zu strömen», hatte er gesagt. Der Druck, den Berlusconi auf Napolitano ausübt, gefährdet nach Ansicht von Beobachtern die Unabhängigkeit des Staaspräsidenten. Bisher war es in Italien Konsens, dass in einer Krise der Staatschef unabhängig entscheidet. «Wir haben deutlich gemacht, dass wir die unakzeptablen Versuche, den Präsidenten der Republik einzuschüchtern, verurteilen», sagte der Vorsitzende der Linken, Franco Giordano, nach einem Gespräch bei Napolitano, wie die Online-Ausgabe der ARD-Tagesschau berichtete.
Der Staatschef lotet in festgefahrenen Sondierungen die letzten Chancen für eine Übergangsregierung aus, die vor Neuwahlen zunächst eine Wahlrechtsreform zu bewerkstelligen hätte. Reformen seien nicht rasch möglich, sagte Berlusconi dazu, das Land brauche aber sofort eine neue Regierung. Der konservative Oppositionschef zeigte sich davon überzeugt, bei vorgezogenen Wahlen im April auch mit dem geltenden Wahlrecht eine stabile Regierungsmehrheit zu erhalten. In aktuellen Umfragen kommt das konservative Parteienspektrum auf einen Vorsprung von etwa zehn Prozent vor den Mitte-links-Parteien der Regierung von Romano Prodi, die in der vergangenen Woche über ein Misstrauensvotum im Senat stürzte.
Links-Politiker Veltroni ist gegen Neuwahlen
Napolitano indessen befürwortet eine Übergangsregierung mit dem Ziel, über eine Reform des Wahlrechts das Land mit seiner stark zersplitterten Parteienlandschaft regierbarer zu machen. Er empfing nach Berlusconi den Bürgermeister von Rom und Vorsitzenden der größten Links-Partei PD (Demokratische Partei), Walter Veltroni, der ebenfalls für eine Übergangsregierung kämpft. Veltroni schlug Napolitano unter anderem vor, Neuwahlen in einigen Monaten - etwa im Juni - nach einer Änderung des Wahlrechts anzuberaumen. Die Legislaturperiode endet im Jahr 2011. Die Gegner von Neuwahlen ohne Reform befürchten weiterhin unstabile Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Napolitano wollte die Sondierungen über einen Ausweg aus der Regierungskrise am Abend in Gesprächen mit seinen Amtsvorgängern Francesco Cossiga, Oscar Luigi Scalfaro und Carlo Azeglio Ciampi abschließen. Eine Entscheidung des Staatschefs wurde frühestens für Mittwoch erwartet. Nach Informationen der Online-Ausgabe der ARD-Tagesschau zeichne sich jedoch ab, dass Napolitano sich gegen die von Berlusconi gewünschten sofortigen Neuwahlen entscheidet. Dies habe die Zeitung «Corriere della Sera» verbreitet. Als Favorit, ein mögliche Übergangsregierung zu führen, gelte Senatspräsident Franco Marini von der Demokratischen Partei. Die Regierung bliebe damit in der Hand des Mitte-Links-Lagers. Am Montag hatten sich Berlusconis Bündnispartner, Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale (AN) und Umberto Bossi von der Lega Nord, ebenfalls für Wahlen ausgesprochen und eine Übergangsregierung in Rom als «Zeitvergeudung» abgelehnt. (nz)