Berichte über Pannen bei Geheimdienstermittlungen zu Boston
Washington - Neue Details aus den Ermittlungen zum Bombenanschlag auf den Boston-Marathon werfen nach US-Medienberichten kein gutes Licht auf die amerikanischen Geheimdienste.
Nicht nur die US-Bundespolizei FBI soll den getöteten mutmaßlichen Attentäter Tamerlan Zarnajew (26) bereits lange vor dem Anschlag im Visier gehabt haben, sondern auch der US-Geheimdienst CIA, berichteten die "New York Times" und "Washington Post" am Donnerstag.
Demnach hatte die CIA nach einer Anfrage russischer Behörden bereits 2011 ein Auge auf Zarnajew geworfen. Russland hätte befürchtet, dass es sich bei Zarnajew um einen zunehmend radikalisierten Islamisten handle. Doch wie bereits das FBI sei auch die CIA zum Schluss gekommen, dass er keine Verbindungen zu terroristischen Gruppen habe.
Dennoch sei Zarnajews Name auf zwei US-Terrorlisten geraten, die dazu dienten, die Regierung bei Auslandsreisen zu alarmieren, hieß es. Wie sich mittlerweile zeige, hätten russische und amerikanische Geheimdienste mindestens viermal Kontakt wegen Zarnajew aufgenommen, bevor dieser für sechs Monate nach Russland gereist sei. Nach seiner Rückkehr in die USA sei aber nicht weiter ermittelt worden.
Russlands Präsident Wladimir Putin sprach sich für einen "Schulterschluss" mit den USA im Kampf gegen den Terrorismus aus. "Wenn wir unsere Kräfte vereinen, werden wir solche Anschläge nicht zulassen und keine derartigen Verluste mehr erleiden müssen", betonte er. Russland sei "eines der ersten Opfer des internationalen Terrorismus" gewesen.
Derweil wollen die Eltern der beiden Zarnajew-Brüder in die USA reisen, um bei den Ermittlungen zu helfen. Das sagte der Vater Ansor Zarnajew der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Die Reise sei bei Gesprächen der Eltern mit US-Diplomaten in Machatschkala, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Dagestan, vereinbart worden, hieß es.
Die Mutter Subeidat Zarnajewa beklagte in einem Interview des TV-Senders CNN, dass ihnen aber nicht erlaubt werden solle, ihren Sohn Dschochar im Bostoner Krankenhaus zu sehen. Für diese Behauptung gab es zunächst keine Bestätigung seitens der Behörden. Allerdings könne ihr in den USA eine Verhaftung drohen, da sie im vergangenen Jahr in Boston wegen Ladendiebstahls und Sachbeschädigung angeklagt worden sei, wie CNN berichtete.
Als eine Art Vorsichtsmaßnahme hatte die CIA Tamerlan Zarnajew in die Datenbank TIDE einfügen lassen, aus der andere Terrorlisten der Regierung gespeist werden. Auch andere Behörden wie das FBI seien informiert worden. Demnach hat der Eintrag aber verschiedene Schreibweisen von Zarnajews Namen sowie unterschiedliche Geburtsdaten beinhaltet. Das System schlug jedoch nicht Alarm, als Zarnajew im Januar 2012 nach Dagestan und Tschetschenien reiste. Grund war laut Zeitungsbericht die fehlerhafte Schreibweise seines Namens und die falschen Geburtsdaten, die von den Russen vorgegeben und dann von den Amerikanern entsprechend verwendet worden waren.
Das FBI hatte Zarnajews Namen auf eine zweite Terrorliste namens TECS gesetzt, die den Zoll automatisch über Ausreisen aus den USA informieren soll. Seine Flugreservierung habe bei der Ausreise einen Alarm ausgelöst, hieß es. Auf Bitten des FBI nach mehr Informationen über Zarnajew hätten russische Behörden nicht mit neuen Details reagiert. Wenig später aber hätten die Russen ihre Anfrage an die CIA übermittelt.
Kremlchef Putin wies eine "russische Spur" zu dem Attentat zurück. Solche Akte hätten nichts mit Nationalismus oder Religion zu tun. "Das Problem liegt in der extremistischen Ausrichtung der Täter", sagte der Präsident am Donnerstag bei einer Live-Fragestunde im Staatsfernsehen. Es war Putins erste öffentliche Stellungnahme dazu, dass die mutmaßlichen Attentäter aus dem Ex-Kriegsgebiet Tschetschenien im Nordkaukasus stammen.