Neue Kämpfe an Grenze zwischen Thailand und Kambodscha

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In der umstrittenen Grenzregion zwischen Thailand und Kambodscha sind den zweiten Tag in Folge Feuergefechte entbrannt. "Warnung: Derzeit kommt es in mehreren Grenzgebieten zu Zusammenstößen", teilte die thailändische Armee am Morgen auf Facebook mit. Laut Innenministerium in Bangkok mussten sich seit Donnerstag bereits mehr als 100.000 Anwohner aus vier nordöstlichen Provinzen (Ubon Ratchathani, Si Sa Ket, Surin und Buriram) in Sicherheit bringen. Für sie wurden etwa 300 Evakuierungszentren eröffnet.
Die Zeitung "Khaosod" zitierte einen Militärsprecher mit den Worten, Kambodscha beschieße Thailand an verschiedenen Grenzorten seit 4.00 Uhr morgens mit Feldartillerie und BM-21-Raketen. Thailand reagiere "entsprechend", hieß es. Menschen in der Region wurden aufgefordert, das Gebiet unbedingt zu meiden. Aber es gibt bereits Tote und Verletzte - auf beiden Seiten.
Gefährliche Eskalation
Der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen den beiden südostasiatischen Nachbarn war am Donnerstag gefährlich eskaliert. Nach Schusswechseln an der Grenze hatte das thailändische Militär eigenen Angaben zufolge Kampfjets gegen kambodschanische Stellungen eingesetzt.
Kambodscha reagierte mit Artilleriefeuer, auch auf Wohngebiete. Unter anderem wurden eine Tankstelle und ein Krankenhaus getroffen. Wer das Feuer eröffnete, ist weiter unklar: Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig. Medienberichten zufolge soll Thailand am Freitag erneut Luftangriffe geflogen haben.
Zahl der Toten steigt
Der Regierung in Bangkok zufolge ist die Zahl der Todesopfer in Thailand mittlerweile auf mindestens 15 gestiegen - 14 Zivilisten und ein Soldat. 46 Menschen wurden verletzt, darunter mehr als 30 Zivilisten. Nach Berichten des thailändischen Militärs sollen mindestens 24 kambodschanische Soldaten getötet worden sein. Die Zeitung "Phnom Penh Post" schrieb, dass in der kambodschanischen Provinz Oddar Meanchey zudem ein 70-jähriger Geistlicher bei der Bombardierung einer Pagode ums Leben gekommen sei.
Es handelt sich damit um die tödlichsten Zusammenstöße seit fast 15 Jahren. Bei schweren Gefechten in dem Grenzgebiet waren zwischen 2008 und 2011 mehrere Dutzend Menschen getötet und viele weitere verletzt worden.
Worum geht es?
Beide Länder trennt eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze, deren Verlauf noch in der Kolonialzeit festgelegt wurde. Die Regierungen in Bangkok und Phnom Penh interpretieren diese Grenzziehung aber unterschiedlich. Vor allem geht es bei dem Streit um den Tempel Prasat Preah Vihear (vermutlich aus dem 10. bis 12. Jahrhundert), der seit 2008 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört und von beiden Ländern beansprucht wird.
Kambodscha warf Thailand vor, den umstrittenen Tempel im Rahmen der Angriffe beschädigt zu haben. "Die Attacken, die sowohl Artilleriebeschuss als auch Luftangriffe umfassten, haben die heilige Stätte, die für das kambodschanische Volk von immenser kultureller, historischer und spiritueller Bedeutung ist, schwer beschädigt", teilte das Kulturministerium mit.
Der thailändische Militärsprecher Winthai Suvari wies die Beschuldigungen vehement zurück. Es handele sich um eine "klare Verdrehung der Tatsachen", hieß es in einer Mitteilung. Die thailändische Armee habe keine zivilen Gebiete angegriffen, sondern nur Militärstellungen.
Der thailändische Übergangsministerpräsident Phumtham Wechayachai äußerte sich zuversichtlich, dass der Konflikt sich nicht zu einem Krieg ausweiten wird. "Was wir jetzt erleben, sind bewaffnete Auseinandersetzungen, kein Krieg", sagte er. Thailand sei grundsätzlich zu Gesprächen mit dem Nachbarland bereit. Jedem Dialog müsse aber ein Stopp der kambodschanischen Militäroperationen vorausgehen.
Wie kam es zu der Eskalation?
Als Reaktion auf die Gefechte hatte Thailand am Donnerstag alle Grenzübergänge in das Nachbarland geschlossen. Der Streit hatte sich jüngst wieder zugespitzt, nachdem es Ende Mai zu einem Schusswechsel zwischen Soldaten beider Länder gekommen war. Dabei wurde ein kambodschanischer Soldat getötet.
Anfang Juli wurde Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra vom Amt suspendiert, nachdem ihr im Umgang mit dem Grenzstreit mögliche Verstöße gegen ethische Grundsätze vorgeworfen wurden. Dabei ging es um ein geleaktes Telefonat mit Hun Sen, dem früheren Langzeitministerpräsidenten und starken Mann in Kambodscha. Kritiker warfen ihr vor, in dem Telefonat vor Kambodscha zu kuschen und ihr Land zu verraten. Sie selbst erklärte, sie habe versucht, die Spannungen zu beruhigen.
Am Mittwoch waren schließlich mehrere thailändische Soldaten durch die Explosion von Landminen in der umstrittenen Region verletzt worden. Einer verlor der Armee zufolge ein Bein. Thailand wirft dem Nachbarland vor, die Minen erst kürzlich verlegt zu haben. Daraufhin wurden auch die diplomatischen Beziehungen zurückgestuft.
Der kambodschanische Ministerpräsident Hun Manet hatte noch am Donnerstag den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, dringend eine Sitzung zu dem "unprovozierten, vorsätzlichen und gezielten Angriff auf Kambodscha" einzuberufen. Das UN-Gremium will am Freitagabend (MESZ) zu dem Thema zusammenkommen.
USA und UN fordern Ende der Kämpfe
Die USA zeigten sich derweil "zutiefst besorgt" über die Situation an der Grenze. "Besonders beunruhigt sind wir über Berichte über den Tod unschuldiger Zivilisten", hieß es in einer Mitteilung, die von der US-Botschaft in Bangkok veröffentlicht wurde. "Wir fordern dringend die sofortige Einstellung der Angriffe, den Schutz der Zivilbevölkerung und eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten."
UN-Generalsekretär António Guterres forderte größtmögliche Zurückhaltung beider Seiten. Die Probleme müssten im Dialog und im Geiste guter Nachbarschaft gelöst werden. Auch Malaysias Ministerpräsident Anwar Ibrahim, dessen Land in diesem Jahr der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean vorsteht, forderte umgehende Verhandlungen. Beide Länder seien wichtige Mitglieder des Bundes. "Frieden ist die einzige Option", sagte er.
Das Auswärtige Amt passte seine Sicherheitshinweise an. "Von Reisen in das Grenzgebiet zu Kambodscha wird dringend abgeraten", heißt es auf der Webseite. Eine weitere Eskalation könne nicht ausgeschlossen werden.
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