Barack Obama: Charmantes Lächeln, knallharte Machtspiele
MÜNCHEN - Der amerikanische Präsident ist auf Gipfel-Tour in Europa. Er will die Probleme der Welt auf seine Art lösen. Dabei trifft auf eine kämpferische Kanzlerin, beleidigte Russen und begeisterte Deutsche. Sein Trip ist seine erste internationale Machtprobe.
Er will das „Ansehen der USA wiederherstellen“ und den „Führungsanspruch Amerikas“ geltend machen. Drunter macht es ein Barack Obama nicht. Seine erste große Auslandsreise ist sein erster großer Macht-Test. Dabei könnte es für die Europäer noch ein böses Erwachen geben, sagt Martin Thunert vom „Heidelberg Center for American Studies“ zur AZ: „Europa hat keinen besonderen Platz in seinem Herzen. Seine Herausforderungen sieht er eher in Asien.“ Doch auch der in Europa so beliebte Obama muss mit Gegenrede rechnen: „Die Europäer lieben Obama für das, was er ist. Aber nicht für das, was er tut“, sagt Thunert. Ein Beispiel: Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolanek, derzeit EU-Ratspräsident, erklärte Obamas Rettungspaket als „Weg in die Hölle“. Die AZ erklärt die Reise des US-Präsidenten.
Der Gipfel-Marathon: Ab heute treffen sich die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in London zum Finanzmarkt-Gipfel. Zwei Tage dauert die Konferenz. Dann zieht ein Teil des Trosses weiter: Am 3. und 4. April steht in Baden-Baden und im französischen Straßburg der Nato-Gipfel an. Es gibt sogar etwas zu feiern: 60 Jahre Nato. Am Sonntag steht in Prag noch ein Treffen zwischen den EU-Staatschefs und Obama an. Zwischen den Konferenzen gibt es viele Treffen der Wichtigen im kleinen Kreis.
Die Obama-Euphorie: Der US-Präsident und seine Frau werden wie Rockstars empfangen. Am Freitag wird er im Rathaus von Baden-Baden erwartet, danach will er sich mit Bürgern unterhalten. Ein Mega-Spektakel ist auch ein Fototermin der Nato-Gäste im deutsch-französischen Grenzort Kehl am Samstag. Nicht nur tausende Schaulustige werden erwartet, auch tausende Demonstranten. 15000 Polizisten sichern die Tagung, die Bundeswehr schickt 600 Soldaten.
Obamas schlechter Draht zu Merkel: Bislang stimmt die Chemie zwischen den beiden nicht. Die Preußin kann wenig mit dem lockeren Ami aus Hawaii anfangen. Während sich Staatsmänner aus aller Welt um einen Termin bei Obama in Washington bemühten, ließ Merkel einen Termin sausen. Am Freitagnachmittag treffen sich die beiden in Baden-Baden kurz zu einem Gespräch. Ob’s hilft?
Der Streit wegen der Finanzkrise: Zuerst muss sich Obama mit China auseinandersetzen: Premier Wen Jiabao hatte vorgeschlagen, den schwachen Dollar als Leitwährung der Welt abzuschaffen – ein Angriff auf Amerikas Macht. Damit nicht genug: Obamas Regierung investiert 6,6 Billionen Euro, um die Krise zu stoppen und macht Rekord-Schulden. Merkel ist dagegen: Sie befürchtet, dass die Schulden der Grund für eine nächste Finanzkrise sein könnten und fordert schärfere Kontrolle der Finanzmärkte. Die Amerikaner sind zurückhaltend.
Der Ärger um die Nato: In Sachen Afghanistan herrscht Einigkeit: Amerika schickt mehr Soldaten, Europa auch, es gibt vorerst keine weiteren Forderungen der Amerikaner. Zoff gibt es um die Zukunft der Nato: Obama will einen Weltpolizisten, Deutschland und Frankreich ein Selbstverteidigungs-Bündnis. Auch das Raketenabwehrsystem der Amerikaner in Polen und Tschechien ist weiter umstritten. Russland rüstet deshalb auf. Hinzu kommt Ärger, weil Obama Russlands Nachbarn Georgien und Ukraine in die Nato aufnehmen will. Große Bedeutung wird daher Obamas heutiges Treffen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew haben.
Der Obama-Faktor: Klappt sein „Yes we can!“ auch in Europa? Experte Thunert ist skeptisch: „Er hat das Potenzial zu überreden, und er hat einen gewissen Vertrauensvorschuss. Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nicht aufgrund von lauter Verzücktheit von ihren Grundsätzen abrücken. Da kann sich Obama noch so charmant anstellen.“
Volker ter Haseborg
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