AZ-Kommentar: Kalter Krieg in München

Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko wedelt auf der 51. Münchner Sicherheitskonferenz mit russischen Ausweisen und verlangt Waffen. AZ-Vize Timo Lokoschat über die Pässe-Pos(s)e.
Timo Lokoschat |
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Im Internet gibt es eine Satire-Seite, die „Kim Jong Un looking at things“ heißt. Übersetzt: Kim Chongun schaut sich Dinge an. Die Macher haben dort dutzende Fotos veröffentlicht, die zeigen, wie sich der Oberste Führer des nordkoreanischen Volkes jeweils vor Ort ein Bild der Lage macht und Dinge anschaut: U-Boote, Pastetenfabriken, Matratzenlager.

Längst könnte man eine neue Seite ins Leben rufen: „Petro Poroschenko holding things“. Übersetzt: Petro Poroschenko hält Dinge. Neulich etwa ein durchlöchertes Stück Metall, das zu einem Bus gehören soll, der von Separatisten beschossen worden sei. Neuestes Motiv: sechs Pässe, mit denen er auf der Siko herumwedelt.

Was das für Dokumente sind, woher er sie hat? Unklar. Ein bizarrer Auftritt, der manche Beobachter an Colin Powell 2003 erinnert: Damals präsentierte der US- Außenminister ebenfalls diverse Gegenstände, die die Existenz von „Massenvernichtungswaffen“ im Irak beweisen, einen Militärschlag rechtfertigen sollten.

Der Vergleich ist ein bisschen unfair, denn Poroschenko sieht keine Gespenster. Dass der Kreml die Separatisten unterstützt, ist klar, wenn auch Art und Ausmaß umstritten sind.

Die theatralische Pässe-Pos(s)e hilft da jedoch wenig weiter. Sie soll vor allem Europa unter Druck setzen, endlich Waffen an die Ukraine zu liefern. „Wir haben im Laufe des Konflikts gezeigt, dass wir verantwortlich damit umgehen“, sagt Poroschenko. Die im Westen oft verschwiegenen Toten, die aufs Konto seiner Regierungstruppen gehen, passen nicht in dieses Bild.

Der klügste Satz der Siko kam indes von der Kanzlerin: Sie könne sich keine Situation vorstellen, „in der eine verbesserte Ausrüstung der ukrainischen Armee dazu führt, dass Präsident Putin so beeindruckt ist, dass er glaubt, militärisch zu verlieren“.

Im Klartext: Militärisch lässt sich der Konflikt nicht lösen. Ein starkes Statement auf einer Konferenz, bei der hinter den Kulissen Waffendeals in Milliardenhöhe abgeschlossen werden.

Aber auch eine bittere Erkenntnis: Denn für die Situation, dass eine Konfrontation militärisch nur in einer Katastrophe enden kann, gibt es ein fast in Vergessenheit geratenes Wort: Es heißt Kalter Krieg.

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