AZ-Kommentar: Aufklärung statt Religionsfestigkeit

Kanzlerin Angela Merkel plädiert dafür, sich angesichts wachsender Zuwanderung mehr mit dem Christentum zu beschäftigen. Dafür erhält sie Lob. Nicht von AZ-Vize Timo Lokoschat.
Timo Lokoschat |
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Angela Merkel und die fragende Bürgerin.
az-screenshot/youtube Angela Merkel und die fragende Bürgerin.

"Klartext" habe Bundeskanzlerin Angela Merkel geredet, "großartig" und "schlagfertig" reagiert, heißt es von einigen Kommentatoren, sogar Radio Vatikan äußert sich wohlwollend: Bundeskanzlerin Angela Merkel Vorschlag, die Zuwanderung von Muslimen zum Anlass zu nehmen, den eigenen christlichen Glauben zu vertiefen, sei ein Segen.

Wirklich?

Abgesehen davon, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel gar keine Antwort auf die Frage der Bürgerin gegeben hat (die ruhig kritisch hätte ausfallen dürfen) und lieber mit Allgemeinplätzen kontert, setzt sie irritierende Akzente. Motto: Wir beschäftigen uns jetzt mehr mit Pfingsten und alles wird gut.

Nun, wer die Bibel studieren möchte: bitteschön. Aber ist es Aufgabe der Politik, dies einzufordern? Sollten wir in Deutschland, in Europa, nicht stolz darauf sein, dass unsere staatliche Ordnung eben nicht durch ein 2000 Jahre altes Buch geprägt ist, in dem Menschen in Walen leben und Schlangen in Obst machen, sondern durch Vernunft, Freiheit und weltliche Gesetze?

Müssen wir, wie manche fordern, wirklich das "christliche Abendland" verteidigen - oder nicht doch vielmehr die aufgeklärte, die offene Gesellschaft? Im Rahmen dieser ist Platz für viele: für Christen, für Muslime, für Juden, für Hindus und natürlich für Bekenntnisfreie.

Was für alle gilt: Keine Religion steht über dem Gesetz.

Merkels Erinnerung an die "gruselige Geschichte" des Kontinents ist da sogar hilfreich: Mit am meisten Grusel haben nämlich Menschen angerichtet, die nicht akzeptieren wollten, dass die Religion weniger zu sagen hat. Sie in die Schranken gewiesen zu haben, ist das Fundament der europäischen Erfolgsgeschichte.

Die Menschen dürfen glauben, woran sie wollen. Das Grundgesetz müssen alle akzeptieren. Einwanderer und Einheimische. Ob sie sich parallel mit dem Koran, der Bibel, dem Talmud, Konfuzius oder dem Fliegenden Spaghettimonster beschäftigen, ist Privatsache. Das muss man jenen, die gerade in Deutschland ankommen und bleiben wollen, freundlich und in Einzelfällen auch deutlich erklären.

Und keinen Wettlauf um Religionsfestigkeit ausrufen.

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