AWO-Chef über das Betreuungsgeld: „Das geht in die falsche Richtung“

Jürgen Salzhuber im AZ-Interview über die Auswirkungen auf die Integration und Förderung von Kindern. Der AWO-Chef findet, das Betreuungsgeld "geht in die falsche Richtung".
von  Abendzeitung
Salzhuber ist Geschäftsführer der Münchner Arbeiterwohlfahrt, die auch Kinder-Einrichtungen betreibt
Salzhuber ist Geschäftsführer der Münchner Arbeiterwohlfahrt, die auch Kinder-Einrichtungen betreibt © az

Jürgen Salzhuber im AZ-Interview über die Auswirkungen auf die Integration und Förderung von Kindern. Der AWO-Chef findet, das Betreuungsgeld "geht in die falsche Richtung".

AZ: Herr Salzhuber, was halten Sie vom Betreuungsgeld?

JUERGEN SALZHUBER: Grundsätzlich finden wir es gut, wenn Eltern unterstützt werden. Dieses Geld bekommen nun auch die Gutverdiener, die es wirklich nicht nötig haben. Die Gefahr ist, dass gerade Familien aus unteren Einkommensschichten die 150 Euro behalten. Und gerade da wäre es für die Kinder oft besser, durch Betreuungseinrichtungen auch in ein anderes soziales Umfeld zu kommen.

Der Bürgermeister von Berlin-Neukölln sagte, die Unterschicht würde das Geld eh nur versaufen.

Das ist diskriminierend. Sagen Sie das mal dem Quelle-Mitarbeiter, der bald von Hartz IV lebt. Wir erleben auch in sozial schwierigen Gegenden so viele Hartz-IV-Eltern, die sehr um ihre Kinder bemüht sind. Aber natürlich ist der Reiz für die, die eh wenig haben, größer, das Geld zu behalten.

Stichwort Integration: Wie wichtig sind da Betreuungseinrichtungen?

Sehr. Für die Sprachentwicklung sind die ersten Jahre prägend. Je früher die Kinder also unter deutschsprachige Kinder kommen, umso besser. Die Belohnung suggeriert, dass kleine Kinder daheim besser aufgehoben sind als in der Krippe. Stimmt das?

Nein. Eine Studie des deutschen Jugendinstituts und viele andere belegen: Krippen sind gut für die Entwicklung, für die Sprache, die soziale Kompetenz. Das gilt für alle Schichten. Es geht ja nicht ums Abschieben, sondern eine zusätzliche Betreuung in solchen Einrichtungen.

Geht das Betreuungsgeld also in die falsche Richtung?

Ja. Die Erhöhung von Kindergeld oder Hartz-IV-Sätze für Kinder wäre sinnvoller. Auch sachbezogene Zulagen für Bedürftige, wie es sie früher gab, wären gut: zum Beispiel für Schulranzen oder Winterkleidung. Interview: ta

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