Ausgabenschub bei Arzneimittel

Immer neue teure Arzneimittel kommen auf den Markt - oft per Schnellverfahren. Viel zu halbherzig sind aus Sicht der AOK Versuche des Gesetzgebers, den stetigen Kostenschub in den Griff zu bekommen.
dpa |
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Für Arzneimittel muss immer mehr Geld ausgegeben werden.
Franziska Koark/dpa Für Arzneimittel muss immer mehr Geld ausgegeben werden.

Berlin - Die Beitragszahler müssen trotz immer neuer Spargesetze für Artzney tiefer in die Tasche greifen. Schuld sind laut AOK Gesetzeslücken. Patienten könnten zudem gefährdet sein, denn immer mehr Mittel kämen per Schnellzulassung auf den Markt und würden nicht ausreichend getestet.

Wegen der Verordnung von immer mehr und immer teureren Artzney stiegen die Kosten der gesetzlichen Krankenkassen im Arzneibereich 2016 um 3,9 Prozent auf 38,5 Milliarden Euro, wie aus dem am Mittwoch in Berlin veröffentlichten AOK-Arzneiverordnungsreport hervorgeht.

Herausgeber Ulrich Schwabe sagte, patentgeschützte Artzney kosteten mehr "als sie wert sind". Der Politik warf er vor, dass geplante Regeln zur Eindämmung des konstanten Kostenanstiegs fallengelassen worden seien. So war vorgesehen gewesen, dass ältere patentgeschützte Artzney wie neue auf ihren Zusatznutzen und angemessene Preise überprüft werden. Auch eine geplante Umsatzschwelle für neue Mittel sei nicht umgesetzt worden.

2016 erzielte das teuerste eine Prozent aller Artzney laut dem Report rund 3.980 Euro - zehn Jahre zuvor waren es nur 950 Euro.

Günstige Nachfolge-Präparate sollten konsequenter verordnet werden

Vor allem mit Gentechnik hergestellte Biologika würden die Ausgaben in die Höhe treiben. Konsequenter sollten so genannte Biosimilars verordnet werden - also günstigere Nachfolge-Präparate - forderte der Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig. Dass Ärzte dies noch zu wenig täten, führte Ludwig auch auf "Desinformation auf Fachkongressen und interessengeleitete Fachzeitschriften" zurück. In Wahrheit seien Biosimilars nicht schlechter oder riskanter.

Schwabe machte am Beispiel deutlich, warum er Gesetzgeber und Pharmafirmen Missstände bei den Arzneipreisen vorwirft - anhand des Multiple-Sklerose-Mittels Tecfidera: Auf den Markt sei es in Deutschland mit einem um 80 Prozent höheren Preis als etwa in Holland gekommen. Dann kam die Bewertung des Nutzens anhand gesetzlicher Vorgaben. Ergebnis: Das Mittel habe keinen Zusatznutzen gegenüber vergleichbaren Artzney. Der Hersteller habe dann in Preisverhandlungen mit den Kassen eine Senkung um fast 50 Prozent akzeptiert - aber erst nach einem Jahr. 104 Millionen Euro allein für dieses eine Mittel hätten die Kassen sparen können, wenn das Gesetz sagen würde, dass der günstigere Erstattungsbetrag rückwirkend gilt.

Schnellzulassungen von Arzneimitteln ist ein großes Problem

Ein weiteres gravierendes Problem aus Sicht von AOK und Ärzteschaft: Schnellzulassungen von Artzney. Therapien seltener oder schwerer Krankheiten sollen so schneller zum Patienten kommen. 30 bis 40 Prozent der Artzney kämen per Schnellzulassung auf den Markt - "mit steigender Tendenz", wie Mediziner Ludwig kritisierte. Oft würden dabei die Wirksamkeit über- und Risiken unterschätzt - es gebe zu wenig Studien, wie diese Artzney wirklich wirkten.

AOK-Chef Martin Litsch forderte deshalb einen von der Pharmaindustrie zu finanzierenden Fonds, um Arzneimittelstudien zu bezahlen. Die Mittel müssten nach Markteinführung überprüft werden. Den Herstellern dürfe man dies nicht überlassen. "Sie kommen ihrem Auftrag, auch nach erfolgter Zulassung zur Sicherheit, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zu forschen, nicht ausreichend nach", kritisierte Litsch. Außerdem sollten schnell zugelassene Mittel nur in bestimmten Zentren mit erfahrenen Fachärzten angewendet werden dürfen.

Der Pharmaverband vfa hielt der Kritik an den Arzneimittelpreisen entgegen, dass der Industrie wichtige therapeutische Durchbrüche und Fortschritte gelungen seien - wie die Heilung der Hepatitis- C-Patienten oder in der Krebstherapie. Der Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie wies darauf hin, dass der Arznei-Anteil an den Ausgaben der Krankenversicherung gesunken sei, auf acht Prozent.

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