Aufstand in Moskau
Das Blatt wendet sich. Wenn man selbst mit massivsten Wahlfälschungen und Ausschluss von Oppositionellen nicht mal mehr auf 50 Prozent kommt, so wie Putins Partei in Russland, dann stehen die Zeichen auf Sturm.
München - Dabei war der Herrscher im Kreml ja wirklich mal beliebt: Weil er nach den ungezügelten 90er Jahren Stabilität und Berechenbarkeit in das russische Leben brachte, nahmen viele seine Herrschaftsform der Demokratur in Kauf. Aber das hat sich geändert: Heute empfinden viele „Stabilität“ als Drohung – nämlich als Fortbestehen von Korruption, Inkompetenz und Lähmung.
Bis 2024 will Putin nach seinem Strohmann-Deal mit Dmitri Medwedew regieren: eine Ankündigung, die für viele das Fass zum Überlaufen brachte. Der Aufstand in Moskau, quer durch alle Schichten, wäre vor einem halben Jahr noch undenkbar gewesen. Undenkbar wie vor einem Jahr der Sturz der Langzeitdespoten Gaddafi oder Mubarak. Wie im arabischen Frühling ist es auch in Russland das Internet, das dem Protest eine solche Wucht verleiht, weil es die einzige Plattform der Bürger ist.
So nervig die Netzwerke bei uns sein können (siehe auch S-Bahn-Saufpartys): In unfreien Ländern werden sie zur Lebensader des Aufstandes. Wie es in Russland ausgeht, ob es dem halbwegs friedlichen Beispiel Ägypten folgt oder dem Beispiel eines Blutbads wie Syrien, wird sich noch zeigen – das hängt auch zentral von uns, dem Westen, ab: Wie wir mit dem „lupenreinen Demokraten“ Putin umgehen.