Atommüll in Dannenberg eingetroffen
Sie legten sich tausendfach quer, aber die Protestierer haben die Zugfahrt des strahlenden Abfalls bis zum Verladebahnhof nicht verhindern können. Die Polizei musste angekettete AKW-Gegner vom Gleis losschneiden, drei von ihnen kletterten sogar auf den Zug.
Mit halbtägiger Verspätung hat der Atommülltransport aus Frankreich gegen ein Uhr in der Nacht zum Montag das niedersächsische Dannenberg erreicht. Zum Teil gewalttätige Protestaktionen hatten die Fahrt des Zuges laut Polizei um 14 Stunden und 23 Minuten verzögert. In der Nacht sollten die elf Behälter mit hochradioaktivem Abfall auf Straßentieflaster umgeladen werden. Die Weiterfahrt ins Zwischenlager nach Gorleben wird für Montag erwartet. Wie lange die Verladeaktion dauert, ist unklar. Die Atommüll-Behälter werden die letzten 20 Kilometer auf der Straße in das Zwischenlager Gorleben transportiert.
Hunderte Atomkraftgegner versuchten, den Transport mit Blockaden von Straßen und Schienen weiter zu behindern. Am späten Sonntagabend schafften es drei Demonstranten, den Zug zu erklimmen. Sie wurden nach Angaben der Castor-Gegner von der Polizei festgenommen. Die Proteste konzentrierten sich auf einen dicht bewaldeten Schienenabschnitt im Großraum Göhrde zwischen Lüneburg und Dannenberg. Kleine Gruppen von Demonstranten besetzten immer wieder zeitweise die Gleise. Eine der zwei möglichen Castor-Routen zwischen Dannenberg und Gorleben wurde am Abend von 40 Landwirten mit Traktoren versperrt. Vor dem Zwischenlager harrten mehrere hundert Aktivisten in einer Sitzblockade auf der Straße aus. Bei der seit Jahren größten Demonstration gegen die Atomkraft hatten sich am Samstag am Gorlebener Zwischenlager 15.000 Castor-Gegner versammelt. In der Südpfalz ketteten sich drei junge Leute für fast zwölf Stunden an die Gleise. Nach Angaben der Polizei verspätete sich dadurch die Weiterfahrt des Castor-Zuges um 13 Stunden.
Demonstranten waren als Zwerge verkleidet
Die Protestaktionen an der Bahnlinie von Lüneburg nach Dannenberg konzentrierten sich am Sonntag auf das bewaldete Gebiet westlich der niedersächsischen Stadt Hitzacker. Dabei ketteten sich insgesamt acht Castor-Gegner an die Gleise. Alle Blockierer wurden von der Polizei losgeschnitten. Mehrere hundert oft als Zwerge verkleidete Demonstranten spielten Katz und Maus mit den Ordnungskräften und setzten sich an verschiedenen Stellen immer wieder auf die Schienen. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen setzte die Polizei Schlagstöcke ein. Sie verletzte damit Demonstranten, wie die Castor-Gegner mitteilten. Mehrere Beamte seien durch Steinwürfe leicht verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Nach Berichten von Sanitätern wurde ein junger Mann vom Huf eines Polizeipferdes am Kopf getroffen und erlitt eine Platzwunde und eine Gehirnerschütterung. Die Blockade der Einfahrt zum Zwischenlager Gorleben wurde zunächst von der Polizei geduldet. Im Laufe des Sonntags ließen sich zeitweilig 1000 Menschen nieder und richteten sich zwischen Strohballen mit ihren Schlafsäcken häuslich ein. Man sehe vorerst keinen Grund, gegen die Blockade vorzugehen, sagte ein Polizeisprecher. 300 Meter vor der Einfahrt hingen zudem vier Mitglieder der Umweltorganisation Robin Wood in Hängematten über der Straße.
«Renaissance der Anti-AKW-Bewegung»
Der Sprecher der Anti-Atom-Initiative «X-tausendmal quer», Jochen Stay, zeigte sich erfreut über die große Zahl der Demonstranten: «Die Kette der Atommüll-Skandale und das Gerede von Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke hat viele Menschen wachgerüttelt. Statt des Comebacks der Atomenergie erleben wir in diesen Tagen die Renaissance der Anti-Atom-Bewegung». (AP/dpa)