Apartheid in den Straßen von Großbritannien
Middlesbrough - Die britische Zeitung „The Times“ hat einen Flüchtlingsskandal aufgedeckt. „Apartheid auf den Straßen von Großbritannien“ titelte das Blatt gestern: In der nordenglischen Stadt Middlesbrough würde die Unterkunft von Asylsuchenden „mit roter Farbe gebrandmarkt“. Die Häuser, in denen Flüchtlinge wohnen, hätten sämtlich rote Haustüren. Das mache die Identifizierung von Flüchtlingen einfach und habe dazu geführt, dass sie Opfer von Beschimpfungen, Schikanen und Angriffen wurden.
Middlesbrough hat die höchste Konzentration von Flüchtlingen in ganz Großbritannien. Auf 173 Anwohner kommt ein Asylsuchender, und damit mehr als die offizielle, vom Innenministerium vorgegebene Quote von eins zu 200.
Sämtliche Flüchtlinge in Middlesbrough werden von einer privaten Organisation betreut: „G4S“, eines der größten Sicherheitsunternehmen der Welt, das 2012, als die Unterbringung von Asylbewerbern privatisiert wurde, vom Innenministerium den Zuschlag für den Nordosten Englands bekam. G4S hat die Behausung von Flüchtlingen wiederum an das Unternehmen „Jomast“ weitergegeben.
Die roten Türen sind mit Hundekot beschmiert worden
Trotz zahlreicher Beschwerden der Betroffenen, aber auch von besorgten Bürgern in Middlesbrough, hielt Jomast an der Politik fest, sämtliche Haustüren rot zu streichen. Asylbewerber klagten darüber, dass sie dadurch zu einem leichten Ziel für Rassisten würden und berichteten von Zwischenfällen, bei denen Hundekot an die Türen geschmiert wurde oder Fenster durch Steinwürfe zu Bruch gingen.
„Das erinnert an Deutschland in den 30er Jahren“
Die Albanerin Riada Kullani, die mit vier anderen Frauen in einem Haus mit roter Tür wohnt, weiß von einer monatelangen Hasskampagne durch eine Teenager-Gang zu berichten. „Sie haben an die Tür gehämmert und Steine geworfen“, sagt sie, „und uns beschimpft: ,Haut ab aus unserem Land, ihr gehört hier nicht her.’“ Das sei jeden Tag so gegangen, zwei Monate lang. Man habe es Jomast gemeldet, die hätten es ignoriert. Selbst eine Beschwerde bei der Polizei habe nichts geändert.
Auch Yahmad Subari, ein Flüchtling aus Afghanistan, wurde in seinem Reihenhaus ständig beschimpft. Er entschloss sich, die Sache in die eigenen Hände zu nehmen, und übermalte seine Haustür mit weißer Farbe. Zwei Tage später ließ Jomast die Tür wieder rot anstreichen.
Ian Swales, ein ehemaliger Abgeordneter für die Gegend, verurteilte die roten Haustüren als ein „Kennzeichen der Ausgrenzung“, die ihn „an Deutschland in den 30er Jahren“ erinnere. Von einer „Einladung zum Rassismus“ sprach die „Times“. James Brokenshire, Staatsminister für Immigration, reagierte gestern auf die Vorfälle mit „tiefer Sorge“ und kündigte eine Untersuchung an: „Sollten wir Fälle von Diskriminierung finden, so werden wir dies sofort abstellen, weil so etwas nicht toleriert werden kann.“
Dabei ist schon seit fast zwei Jahren bekannt, dass die „Politik der roten Tür“ zu Übergriffen geführt hatte. Ian Swales brachte das Thema im Februar 2014 vor einem Unterhaus-Ausschuss zu Gehör. Auch das Innenministerium kann nicht behaupten, nichts von der Sache gewusst zu haben, nachdem es von besorgten Bürgern unterrichtet worden war.
Die Sicherheitsfirma soll die Flüchtlinge eigentlich schützen
Sowohl G4S wie Jomast, in deren Vertrag steht, dass sie „die Sicherheit und Gefahrlosigkeit“ ihrer Schutzbefohlenen sicherstellen müssen, hatten noch kürzlich abgestritten, dass Flüchtlinge in Middlesbrough hinter roten Türen wohnen würden.
Erst die Recherchen der „Times“ brachten die Unternehmen auf Trab. Nachdem man von der Zeitung von der bevorstehenden Enthüllung unterrichtet worden war, erklärten G4S und Jomast, dass die Haustüren in demnächst in unterschiedlichen Farben übermalt werden. Das werde allerdings drei bis sechs Monate in Anspruch nehmen.
- Themen:
- Flüchtlinge
- Polizei