Angst vor Pflegeheim: Sterbehilfe für Bayerin
HAMBURG - Ein Ex-Senator als Doktor Tod: Der frühere CDU-Mann Roger Kusch prahlt, einer Rentnerin aus Würzburg beim Sterben geholfen zu haben. Jetzt erstattete er öffentlich eine bizarre Selbstanzeige.
Das war ein gespenstischer Auftritt am Montagvormittag in Hamburg: Roger Kusch, Ex-Justizsenator der Hansestadt, CDU-Mann und bekennend schwuler Studienfreund von Bürgermeister Ole von Beust, trat mit einer bizarren Selbstanzeige vor die Presse: Am Samstag habe er bei einer 79-jährigen Frau aus Würzburg Sterbehilfe geleistet.
Die Rentnerin Bettina S. litt laut Kusch keineswegs an unerträglichen Schmerzen. Zwar habe ein Arzt bei ihr eine Krebserkrankung diagnostiziert. Das Motiv für die Selbsttötung der hilfsbedürftigen Frau sei jedoch allein die „grauenvolle panische Horrorvision“ der Einsamkeit in einem Pflegeheim gewesen, sagte der 53-Jährige, der bereits während seiner Amtszeit die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe gefordert hatte. 2008 trat der frühere Oberstaatsanwalt dann mit der von ihm gegründeten Partei „Rechte Mitte Heimat Hamburg“ bei der Bürgerschaftswahl an, kam aber nur auf klägliche 0,5 Prozent.
Das Dokument eines Sterbens
Er habe „nach Klärung der Rechtslage in Deutschland“ erkannt, dass Sterbewillige für einen „assistierten Suizid“ nicht in die Schweiz fahren müssten, wo aktive Sterbehilfe erlaubt sei, sagte Kusch weiter, ehe er minutiös den Ablauf des von ihm begleiteten Sterbens schilderte: Die frühere Röntgenassistentin habe erst das Malariamittel Chloroquin und dann das Beruhigungsmittel Diazepam eingenommen. Die Artzney habe sie sich selbst besorgt. Er selbst habe „ein bis zwei Minuten“ nach Einnahme der zweiten Flüssigkeit die Wohnung verlassen, um sich nicht strafbar zu machen, so Kusch. Frau S. sei zu diesem Zeitpunkt noch bei vollem Bewusstsein gewesen. Während des Sterbens habe er eine Videokamera laufen lassen.
Um den freien Willen für die Selbsttötung zu demonstrieren, zeigte Kusch Videoausschnitte von Gesprächen mit der Frau. Er habe sich schon seit langem stark gemacht „für die Selbstbestimmung bis zum letzten Atemzug“, so Kusch. Dem habe er Taten folgen lassen wollen. Sein Selbsttötungsautomat indes sei nach Abwägung der Risiken nicht zum Einsatz gekommen, so Kusch. Im März hatte er die selbst entwickelte Maschine vorgestellt: Per Knopfdruck sollten sich Todkranke aus zwei Spritzen parallel je 20 Milliliter Narkotikum und Kaliumchlorid in die Venen pressen.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Die Hamburger Staatsanwaltschaft leitete gestern ein Vorermittlungsverfahren gegen Kusch ein. Harsche Kritik übte die Deutsche Hospizstiftung: Kusch sei „ein politischer Amokläufer“, der „aus tiefstem Narzissmus die Angst der Menschen vor Pflege missbraucht“.
Markus Jox
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