Ärztestreik: Armes Gesundheitssystem
"Relativ arm!" Der Vize-Chefredakteur der AZ Georg Thanscheidt schreibt über die Honorarforderungen der Ärzte
Hält Ihnen Ihr Bäcker vor, dass der Preis, den Sie für seine Semmel bezahlen, ihm nicht zum Leben reicht? Müssen Sie beim Friseur erst mal zehn Euro bezahlen, bevor Sie drankommen? Gibt es bei Ihrem Auto-Mechaniker zwei Hebebühnen – eine für Kleinwagen, eine für den Mercedes? Ich vermute, mal Sie können alle diese Fragen klar mit „Nein“ beantworten. Dann haben Sie – in unangemessener Kürze – auch den Unterschied zwischen einem funktionierenden Markt mit Angebot und Nachfrage und unserem Gesundheitssystem verstanden.
Dass es solche Abstrusitäten wie Preis-Debatten bei der Vorsorge-Untersuchung, zehn Euro Praxisgebühr oder Extra-Wartezimmer für Privatpatienten überhaupt gibt, liegt nicht an den Ärzten. Es liegt auch nicht an den Kassen oder an den Gesundheitspolitikern. Es liegt an allen dreien zusammen – und der Patient ist daran wahrscheinlich auch nicht unschuldig.
Nun debattiert Deutschland also, ob ein oder elf Prozent Honorarsteigerung für Kassenärzte angemessen wäre. Beim Bäcker lässt sich die Lohnsteigerung im besten Fall aus der Zahl der verkauften Semmeln ableiten. Ein gerechtes Gehalt für eine Kindergärtnerin zu berechnen, ist schon um einiges schwieriger. Dies für Ärzte-Honorar zu tun, ist unter den gegebenen Umständen so gut wie unmöglich – für einen Kassenpatienten sind die 5000 Euro Monats-Netto eines Allgemeinmediziner relativ viel, für dessen Facharzt-Kollegen relativ wenig.
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