Ägypten: Militärchef greift nach der Macht
Kairo – Der ägyptische Militärchef Abdel Fattah al-Sisi hat seine Kandidatur für die Präsidentenwahl in Ägypten angekündigt. „Die Angelegenheit ist entschieden“, sagte er der kuwaitischen Tageszeitung „Al-Seyassah“ am Donnerstag. „Ich habe keine andere Wahl, als dem Wunsch des ägyptischen Volkes zu entsprechen. (...) Ich werde mich an das Volk wenden, um sein (in mich gesetztes) Vertrauen durch ein freies Votum zu erneuern.“
Beobachter hatten diese Ankündigung bereits seit Wochen erwartet. Im Nilland sollen bis spätestens Mitte April Präsidentenwahlen stattfinden. Ein Termin dafür wurde noch nicht festgesetzt. Ein klarer Wahlsieg Al-Sisis gilt als wahrscheinlich. Al-Sisi ist derzeit der Oberkommandierende der ägyptischen Streitkräfte im Range eines Feldmarschalls und zugleich Verteidigungsminister des Landes. Seitdem er im Juli vergangenen Jahres den damaligen islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet hat, gilt er als der eigentliche starke Mann der ägyptischen Politik. Offiziell hat er seine Kandidatur noch nicht angemeldet. Vor anderthalb Wochen hatte ihn der Oberste Militärrat, das Oberkommando der Streitkräfte, zu einer Kandidatur ermächtigt. Auch dieses Gremium hatte mit dem „Wunsch des Volkes“ argumentiert, dem sich der oberste Militär des Landes nicht entziehen dürfe.
Ausländische Beobachter sehen seine Rolle zwiespältig. Dass das Militär den Muslimbruder Mursi abgesetzt hat, war auch im Westen überwiegend, wenn auch stillschweigend begrüßt worden - denn die Islamisten hatten immer mehr versucht, das Land nach ihren religiösen Vorstellungen zu formen und die Demokratie auszuhebeln. Auch im Volk gab es aus dem gleichen Grund viel Zustimmung, und auch, weil unter Mursi die darniederliegende Wirtschaft noch weiter abstürzte. Das Militär wurde als Befreier vor einer drohenden Diktatur der Muslimbrüder betrachtet.
Doch es gibt auch Skepsis, ob nicht das eine Übel durch ein anderes ersetzt wird - Herrschaft der Armee statt Herrschaft der radikalen Islamisten. Al-Sisi hat eine neue Verfassung ausarbeiten lassen. Sie beseitigt zwar viele kritische Punkte, die die Muslimbrüder durchgesetzt hatten, und schreibt die Gleichheit und die Rechte der Frauen deutlich fest. Gleichzeitig zementiert sie aber erst recht den Einfluss der Militärs. Dass Al-Sisi jetzt noch als Präsident antritt, könnte deren Macht noch ausbauen, auch wenn er die Uniform ablegen und als Zivilist kandidieren muss. Seine Wurzeln liegen klar in der Armee. Andererseits hat er im Volk tatsächlich auch viele Anhänger: erstens eben als Garant gegen die Muslimbrüder, zweitens wegen der Annahme, dass eine solide Regierung vielleicht auch die Wirtschaft wieder stabilisieren kann.
Allerdings deuten sich auch erste Risse im Lager des Militärs an. Ein Sprecher der Streitkräfte dementierte das Interview umgehend. Es handele sich um "journalistische Interpretationen und nicht um direkte Zitate".
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