52 Prozent der Briten sind für den Brexit
So lautet das Ergebnis einer aktuellen Umfrage. Damit plädiert eine Mehrheit für den Abschied aus der EU. Politik-Experten glauben, dass dies an der Flüchtlingskrise liegen könnte
London/Berlin - Der Trend ist klar: Die Briten werden immer europamüder. Jetzt hat zum ersten Mal eine Umfrage des Instituts ORB für die linksliberale Zeitung „The Independent“ eine Mehrheit der Briten für den Ausstieg aus der Europäischen Union ermittelt. Das für die EU bittere Ergebnis: Von 2000 Befragten sprachen sich in der vergangenen Woche 52 Prozent für den sogenannten Brexit aus, während nur 48 Prozent EU-Mitglied bleiben wollen.
Die Tendenz zum Austritt ist unter älteren Bürgern am stärksten. Unter den über 65-Jährigen wollen 62 Prozent den Brexit. Genau umgekehrt ist es bei den 18- bis 24-Jährigen, von denen 69 Prozent in der EU verbleiben wollen. Die höchste Zustimmung zur EU gibt es in Schottland – dort wollen 60 Prozent in der EU bleiben.
Seit dem Sommer kippt die Stimmung allmählich
Über die Sommermonate hatte es in ORB-Umfragen noch eine Mehrheit von 55 zu 45 Prozent für den Verbleib in der EU gegeben. Dann aber kippte die Stimmung. Die aktuelle Umfrage ist kein Ausreißer, schon im September hatte eine Meinungserhebung des Instituts Survation eine sehr knappe Mehrheit – 51 zu 49 Prozent – für den EU-Abschied gezeigt.
Die Zeitung „The Independent“ mutmaßte gestern, dass die nun Befragten möglicherweise auf die Terrorangriffe in Paris reagierten. Politik-Experten glauben aber, dass der Stimmungsumschwung vor allem auch mit der Flüchtlingskrise in Europa zu tun haben könnte. Spätestens Ende 2017 muss in Großbritannien ein Referendum über den Brexit stattfinden, und das Lager der Befürworter des EU-Verbleibs wird mittlerweile nervös.
Premierminister David Cameron hatte vor zwei Wochen einen Forderungskatalog vorgelegt, um Reformen innerhalb der EU durchzusetzen. Wenn man Großbritannien entgegenkomme, sagte der Premier, werde er sich „mit ganzem Herzen und ganzer Seele“ für einen Verbleib einsetzen.
Immigration: Die Briten wollen sich abschotten
Besonders umstritten unter seinen Forderungen war, den Zugang von EU-Immigranten zu Sozialleistungen einschränken zu wollen. Cameron reagiert damit auf ein Thema, das die Briten schon lange umtreibt: Immigration. Die Flüchtlingskrise in Europa hat viele Briten verschreckt und den Reflex verstärkt, sich abschotten zu wollen. Und ein Linksruck bei Labour und den Gewerkschaften, die skeptisch gegenüber einer zu wirtschaftsfreundlichen EU sind, hat dem Lager der Austrittswilligen von links aus Auftrieb gegeben.
Doch vor allem ist es der politische Streit um die Netto-Einwanderung, die im letzten Jahr bei 330 000 Zuwanderern lag, der dem Brexit-Lager hilft. „Die Flüchtlingskrise und die permanenten Bedenken gegenüber der Netto-Immigration schieben Großbritannien immer näher auf den Brexit zu“, warnt Professor Matthew Goodwin. „Immigration ist zentral für den Euroskeptizismus in diesem Land“, meint der Politologe von der Kent University. Wähler, die glauben, dass Immigranten einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft, den Sozialstaat und die Kultur in Großbritannien haben, seien auch in überwältigendem Maße der Meinung, dass Großbritannien die Europäische Union verlassen solle.
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