Zehn Jahre danach: Die Erinnerung an 9/11 lebt
Zehn Jahre nach den Terror-Anschlägen: Manchmal bleibt gar nichts übrig – Forensiker arbeiten weiter an der Identifizierung der Opfer vom 11. September.
New York - Die Überreste des 32-jährigen Feuerwehrmanns,
der bei den Anschlägen auf das World Trade Center (WTC) vor zehn
Jahren getötet wurde, wurden nie gefunden. Das ist besonders
schmerzlich für die Familie, die in ihrer Trauer nach Antworten
sucht, nach einer Art Abschluss oder letzten Gewissheit, dass der
geliebte Mensch wirklich unter den Anschlagsopfern ist.
Fakten erzählen die Geschichte eines Jahrzehnts der Suche nach
und der Bergung von den Überresten der Opfer des 11. Septembers:
Angehörige der Opfer zogen bis vor den Obersten Gerichtshof, weil
sie eine noch umfassendere forensische Untersuchung wollten als die,
die bereits in Gang war. Noch Jahre nach den Anschlägen wurden
Überreste von Opfern in Kanalschächten und auf Dächern um den Ground
Zero entdeckt.
Millionen wurden ausgegeben, unter anderem auch für die mühevolle
Gewinnung von DNA aus winzigen Knochenstücken mithilfe modernster
Technologie. Von den 21.000 gefundenen Überresten konnten etwa 9.000
nicht identifiziert werden. Von mehr als 1.100 Opfern gibt es keine
identifizierbaren Überreste. Und das Tempo sagt alles: Innerhalb von
fünf Jahren gab es nur 26 neue Identifizierungen. Ende August wurde
zuletzt ein 40-jähriger Mann identifiziert, der im Nordturm
gearbeitet hatte.
„Ich kann keinen Zeitrahmen geben, wann eine Identifizierung
gemacht wird, wenn überhaupt“, sagte der Leiter der
WTC-Identifizierungseinheit bei der städtischen Gerichtsmedizin,
Mark Desire. „Aber wir arbeiten ununterbrochen.“
Fünf Wissenschaftler arbeiten sieben Tage die Woche an neuen
Identifizierungen in einem Labor in einem ultramodernen Gebäude auf
der Ostseite von Manhattan. Die nicht identifizierten Überreste sind
in einem temperierten Zelt ein paar Straßen weiter untergebracht.
Etwa 400 Knochenfragmente werden monatlich analysiert.
Nur ein leeres Gefäß
Wenn eine Identifizierung abgeschlossen ist, werden die Überreste
an die Familie zurückgeschickt. Manchmal bleibt nach der DNA-Analyse
gar nichts übrig. Die Angehörigen erhalten dann nur das leere Gefäß,
in dem die Überreste aufbewahrt wurden.
Doch die Forensiker geben nicht auf. Das Team arbeite noch ebenso
unermüdlich wie vor zehn Jahren, sagte Desire von der
WTC-Identifizierungseinheit. Einige Angehörige können die Arbeit der
Forensiker dennoch nicht nachvollziehen. „Man kann DNA vom
Bürgerkrieg, dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg finden“,
sagte der Stiefvater des 32-jährigen Feuerwehrmanns. „Aber man kann
nicht die DNA von Ersthelfern oder Zivilisten finden?“
Die Bemühungen, die Opfer der Anschläge vom 11. September zu
identifizieren, begannen fast unmittelbar nach den Anschlägen in New
York, dem Pentagon und in Shantsville, Pennsylvania, wo eines der
entführten Flugzeuge abstürzte, bevor es sein angesteuertes Ziel
erreichte. Forensische Teams machten sich an den drei Unglücksorten
daran, Opfer und Kidnapper zu identifizieren. Die Überreste der
Kidnapper wurden an das FBI übergeben.
Die Hitze, die bei dem Flugzeugabsturz in Pennsylvania entstand,
war so stark, das für die Gerichtsmediziner kaum menschliche
Überreste zur Untersuchung übrigblieben. Bis auf fünf wurden alle
184 Opfer des Anschlags auf das Pentagon identifiziert.
Am schwierigsten war die Arbeit der Forensiker im Fall der
WTC-Anschläge. Das Gelände ist sechseinhalb Hektar groß, die
Zwillingstürme begruben alles unter sich. Es wurden kaum
vollständige Leichen gefunden. Hitze, Feuchtigkeit, Bakterien und
Chemikalien wie Kerosin erschwerten die Detektivarbeit der
Forensiker. Einige Überreste waren so stark verbrannt oder
kontaminiert, dass keine DNA analysiert werden konnte.
Grenzen der aktuellen DNA-Technologie erreicht
Im April 2005 wurde den Angehörigen von der städtischen
Gerichtsmedizin mitgeteilt, dass die Identifizierungsbemühungen
eingestellt würden, da „die Grenzen der aktuellen DNA-Technologie“
erreicht worden seien. 2006 wurde die Suche wieder aufgenommen,
nachdem Dutzende Knochenfragmente eines Anschlagsopfers in einem
Kanalschacht gefunden worden waren. Daraufhin wurden fast 2.000
Knochenfragmente auf Dächern und unter einer Straße entdeckt. Im
vergangenen Jahr wurde auch diese Suche eingestellt.
Leichenteile wurden auch in einer ehemaligen Mülldeponie auf
Staten Island gefunden, wo Trümmerschutt gelagert wurde. 2008 lehnte
ein Richter die Klage mehrerer Angehöriger von Anschlagsopfern ab,
die die Trümmerteile an einen anderen Ort bringen wollten, der als
Friedhof dienen sollte.
Was mit den Überresten der Anschlagsopfer geschehen soll, ist
umstritten. Einige Angehörige sind gegen das National September 11
Memorial & Museum, das im kommenden Jahr eröffnet werden soll.
„Es ist furchtbar, dass die Angehörigen sich mit Tausenden
zusammendrängen müssen, um die Überreste zu sehen“, sagte die Mutter
eines 35-jährigen Feuerwehrmanns. Einige seiner Überreste wurden ihr
übergeben. Doch auch für die nicht identifizierten Opfer müsse es
einen richtigen Friedhof geben, sagte sie: „Es sind kostbare,
heilige Überreste unserer Lieben.“
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